Pedro Sánchez wirbt um Katalanen

Die PSOE von Spaniens Ministerpräsidenten sondiert Zusammenarbeit mit der linksrepublikanischen ERC

  • Ralf Streck, San Sebastián
  • Lesedauer: 3 Min.

97 Prozent Zustimmung. Der Wunsch nach Regierungsbeteiligung ist bei den Anhängern der Linkspartei Podemos in Spanien offensichtlich groß. Mehr als 130 000 der 135 000 Abstimmenden haben ihr Plazet für die Vorvereinbarung für eine Koalition mit der sozialdemokratischen PSOE des geschäftsführenden Ministerpräsidenten Pedro Sánchez gegeben, die ihr Parteichef Pablo Iglesias ausgehandelt hatte.

Die Podemos hat Pedro Sánchez ins Boot geholt. Doch nach den Neuwahlen im November kommen PSOE und Unidas Podemos (Gemeinsam können wir es/UP) nur noch auf 155 Sitze, nach den Wahlen im April waren es noch 165 Sitze - zur absoluten Mehrheit von 176 Sitzen fehlen nun zehn weitere Unterstützer mehr als vormals: insgesamt 21.

Am Donnerstag trafen sich nach Redaktionsschluss Delegierte der PSOE mit der Republikanischen Linken Kataloniens (ERC), um darüber zu sprechen, ob die ERC eine von Sánchez geführte Koalitionsregierung mit UP tolerieren wird. Nach den Neuwahlen im November hängt alles nun noch stärker von der ERC ab. Von seiner Neuwahl-Strategie hatte Sánchez erwartet, dass seine PSOE zulegen werde, doch sie wurde geschwächt. Auch die von Pablo Iglesias geführte UP musste unter anderem wegen der Abspaltung Más País (Mehr Land) Federn lassen.

War die ERC im Frühjahr bereit, Pedro Sánchez ohne Bedingungen und Gegenleistungen durch Enthaltung an die Regierung zu bringen, stellt sie nun klare Forderungen. Schließlich hatten sich Teile ihrer Wähler im November wegen dieses Kurses abgewandt und stattdessen für die linksradikale CUP und die offene Liste »Gemeinsam für Katalonien« (JxCat) votiert. Hinter JxCat steht der Exilpräsident Carles Puigdemont. Von dieser Seite wurden für eine Unterstützung stets Verhandlungen über ein verbindliches Unabhängigkeitsreferendum nach schottischem Vorbild gefordert.

Soweit geht die ERC nicht. Mit der Frage an die ERC-Mitglieder legte sie aber die Latte hoch: »Sind Sie damit einverstanden, die Amtseinführung von Pedro Sánchez abzulehnen, wenn es zuvor keine Vereinbarung gibt, um den politischen Konflikt mit dem Staat an einem Verhandlungstisch zu behandeln?« Diese Frage beantworteten 95 Prozent der Basis mit Ja. ERC-Anführer Pere Aragonès katalanischer Vizepräsident - stellte auf dieser Grundlage vier Forderungen auf: Verhandlungen auf Augenhöhe zwischen der katalanischen und spanischen Regierung, Dialog ohne Bedingungen und Beschränkungen sowie ein klarer Fahrplan und eine Garantie für die Umsetzung eines getroffenen Abkommens, über das per Referendum in Katalonien abgestimmt wird.

Gabriel Rufián, ERC-Sprecher im Madrider Parlament, fordert nun einen klaren Zeitplan, ohne den die ERC mit Nein stimmen werde. Rufián vertraut einem Sánchez nicht, der bisher die Katalanen »beleidigt und kriminalisiert« habe. »Nur weil er jetzt Pablo Iglesias umarmt«, bleibe er der, der Versprechen meist bricht. Dass der ERC-Chef Oriol Junqueras seit zwei Jahren inhaftiert ist, macht eine Übereinkunft mit der PSOE ebenso schwierig, wie die Tatsache, dass er von seinem Sitz im Europaparlament ausgeschlossen wurde, weil er dort nicht zur Vereidigung aus Spanien anreisen durfte, was ihm als Abgeordneter für das spanische Parlament gestattet wurde. Diese Ungleichbehandlung hält der Generalanwalt am Europäischen Gerichtshof für illegal.

Es wird schwer für Sánchez, der im Wahlkampf seine Partei auf einen antikatalanischen Kurs geführt hatte, da er eine Koalition mit der national-neoliberalen Ciudadanos-Partei (Cs) wollte. Diese Träume sind zerstoben, da die Cs von 57 auf 10 Sitze abgestürzt ist. Der starke rechte Flügel der PSOE, allen voran der frühere Parteichef Felipe González, ist schon gegen eine Koalition mit UP. Eine Tolerierung durch Katalanen ist für sie ein rotes Tuch. Er fordert eine große Koalition mit der rechten Volkspartei (PP). Die wäre dazu sogar bereit, fordert dafür aber den Kopf von Sánchez.

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