Einen Schritt voraus sein
Die deutschen Skilangläufer konzentrieren sich schon vor Beginn der aktuellen Saison aufs WM-Jahr 2021
Peter Schlickenrieder ist nicht nur passionierter Motivator, sondern auch leidenschaftlicher Optimist. Deshalb hält er sich vor seinem zweiten Jahr als Bundestrainer der Skilangläufer auch nicht mehr zurück. »Wir sind mutig unterwegs und gehen andere Wege«, sagte der 49-Jährige vor dem Saisonstart in Kuusamo an diesem Freitag: »Wir wollen die Entwicklungen in der Weltspitze aufnehmen und vielleicht mal einen Schritt voraus sein.«
Es sind mutige Aussagen, vor allem weil das deutsche Team ein Jahrzehnt nach den Erfolgen der Goldenen Generation um Tobias Angerer und Axel Teichmann weiter mitten im Umbruch steckt. »Wir haben ein gutes, intensives erstes Jahr hinter uns«, sagt Schlickenrieder: »Wir haben viel gearbeitet, Vertrauen aufgebaut. Jetzt gehen wir den nächsten Schritt an, und der wird noch mal intensiver.«
Nicht mitgehen werden diesen Schritt einige bekannte Gesichter. Vor dem neuen Winter beendeten in Nicole Fessel und Steffi Böhler die letzten verblieben Läuferinnen der olympischen Bronzestaffel von Sotschi 2014 ebenso ihre Karriere wie in Sandra Ringwald die beste Sprinterin der vergangenen Jahre. Für Schlickenrieder ist das aber angeblich kein Grund zur Sorge. »Im letzten Winter war es schon nicht mehr Ringwald, welche für die Topplatzierungen im Sprint gesorgt hat, sondern Victoria Carl. Genauso wie Katharina Hennig im Weltcup die Top-10-Platzierungen geholt hat«, sagt der Bundestrainer. »Das war eigentlich schon die Mannschaft, die jetzt in der Verantwortung steht. Das lässt hoffen, dass wir nicht den krassen Bruch haben.«
Die 24-jährige Carl hatte eine glänzende WM abgeliefert, wurde in Seefeld Fünfte im Sprint und Neunte über 30 Kilometer, die noch ein Jahr jüngere Hennig lief bei Weltcup-Distanzrennen sogar viermal unter die besten Zehn. Wann Carl nach ihrer Knieoperation im März wieder bei hundertprozentig fit ist, muss sich allerdings erst zeigen.
Bei den Männern sorgte vor allem Janosch Brugger mit seinem vermeintlichen Weltcupsieg in Lillehammer dafür, dass die Talsohle durchschritten ist. Er war in einem Verfolgungsrennen zumindest die beste Einzelzeit gelaufen, auch wenn er aufgrund des großen Startrückstands letztlich nicht als Erster das Ziel erreicht hatte. »Wenn er sich konstant weiterentwickelt, wird er über kurz oder lang in die Weltspitze vordringen«, prognostiziert Schlickenrieder.
Carl, Hennig und Brugger sollen das junge Team führen, und dabei ist die neue Weltcupsaison mit der Tour de Ski vom 28. Dezember bis 5. Januar als Höhepunkt diesmal nur eine Durchgangsstation: Die Weltmeisterschaften ein Jahr später im Allgäu stehen über allem. »Oberstdorf 2021 wirft seine Schatten voraus«, sagt der Teamchef. »Eine Heim-WM ist immer etwas Spezielles, ein besonderes Druckszenario. Deshalb versuchen wir, das jetzt schon aufzugreifen, um einen klaren Fokus auf die WM 2021 und auch Olympia 2022 zu haben.«
Am 25. und 26. Januar finden 13 Monate vor den Welttitelkämpfen bereits Weltcuprennen in Oberstdorf statt. Weil danach die Strecken perfekt präpariert bleiben, will Schlickenrieder seine Hoffnungsträger dann mitunter aus dem Weltcup nehmen und für den Ernstfall Weltmeisterschaft proben. »Wir wollen in der Zeit, in der die anderen Wettkämpfe laufen, im Training den Abstand verkürzen«, beschreibt Schlickenrieder den Plan. Neue Wege gehen, der Weltspitze voraus sein - so kann das aussehen, auch wenn die Früchte dann frühestens 2021 geerntet werden. SID/nd
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