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Einer für alle, alle gegen einen
Die restlichen Fußball-Bundesligisten wollen allein Werder Bremen für Polizei-Mehreinsätze zahlen lassen
Die Zeiten sind längst passé, in denen die deutsche Nationalmannschaft im noblen Kempinski Gravenbruch in Neu-Isenburg ihr Quartier bezog. Das Domizil vor den Toren Frankfurts taugt allerdings immer noch dafür, wegweisende Beschlüsse für den deutschen Fußball auf den Weg zu bringen. Am Dienstag tagen in dem ehemaligen Jagdsitz die Mitglieder der Deutschen Fußball Liga (DFL) und müssen dabei ein brisantes Thema besprechen: Wie ist mit der Beteiligung des deutschen Profifußballs an zusätzlichen Polizeikosten bei Hochrisikospielen zu verfahren?
Und hier könnte sich das Novum ergeben, dass sich 35 Klubs gegen einen stellen. Denn bislang ist in den komplexen Fall nur der SV Werder involviert, nachdem der Bremer Senat grundsätzlich vom Bundesverwaltungsgericht das Recht zugesprochen bekam, die Gebührenbescheide für die erhöhten Polizeieinsätze von der DFL erstatten zu lassen.
Die Liga hat inzwischen die ersten Überweisungen für vier Partien an das Land Bremen getätigt. Insgesamt geht es um 2,3 Millionen Euro, die von der Ligaversammlung nun zu 100 Prozent dem SV Werder aufgebürdet werden sollen. Ein entsprechender Antrag ist formuliert. In den Teilversammlungen der ersten und zweiten Bundesliga war das Votum jeweils eindeutig, diese Kosten auf alle Klubs zu verteilen.
Der SV Werder hat jüngst auf seiner Mitgliederversammlung eine Klage gegen den Ligaverband angekündigt. Notfalls würde juristisch geprüft, ob die DFL nicht ein Mitveranstalter sei, der zu einer Kostenbeteiligung verpflichtet werden kann. Die aktuelle Beschlussvorlage erschüttere »das Gefüge der ersten und zweiten Liga als Solidargemeinschaft«, hieß es bei den Grün-Weißen, die aber wohl gegen Windmühlen kämpfen.
Die DFL verweist darauf, dass das Polizei-Monopol wie bei jedem Stadtfest, Rockkonzert oder jeder Demonstration beim Staat läge. Und dafür würde der Profifußball genug zahlen: Im Wirtschaftsreport 2018 ist hinterlegt, dass der deutsche Profifußball bei einem Rekordumsatz von 4,42 Milliarden Euro auch 1,28 Milliarden an Steuern und Abgaben entrichtet hat. Zudem würde mit den Investitionen in die Fanprojekte ja auch noch Präventionsarbeit verrichtet.
Das politische Meinungsbild ist nicht mal innerhalb der Parteien einhellig: Während Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius (SPD) die Weitergabe der Mehrkosten bei Polizeieinsätzen grundsätzlich für systemwidrig hält, hat der hoch verschuldete Stadtstaat Bremen mit seinem streitlustigen Innensenator Ulrich Mäurer (ebenfalls SPD) einen Präzedenzfall geschaffen.
Der Sportverein Werder, der in der Hansestadt als sozial und gesellschaftlich agierender Leuchtturm gilt, sitzt zwischen allen Stühlen. »Wenn Werder 100 Prozent der Kosten zahlen muss, wird das Verursacherprinzip außer Kraft gesetzt«, argumentiert Klaus Filbry, der Vorsitzende der Geschäftsführung. Sein Vorschlag: die Kosten zwischen dem SV Werder, der DFL als Mitveranstalter und dem jeweiligen Gastverein zu dritteln.
Vereinspräsident Hubertus Hess-Grunewald fügte hinzu: »Wir haben zwar den juristischen Fingerzeig bekommen, dass es grundsätzlich möglich ist, eine solche Gebühr zu erheben. Aber kein Richter hat gesagt, dass es eine gute Idee ist.« Er brachte die Idee ins Spiel, den Mehraufwand bei Hochrisikospielen - in der Vergangenheit die Nordderbys gegen den Hamburger SV und Hannover 96, aber auch Spiele gegen Eintracht Frankfurt und Borussia Mönchengladbach - in Zukunft zu vermeiden, indem das Kartenkontingent für Gästefans reduziert wird. »Das zeigt, dass es kein reines Problem von Werder ist, sondern auch andere Vereine betrifft.«
Diese Einschätzung trifft insofern zu, dass die Bremer bald gar nicht mehr so allein stehen könnten. Wie das Fachmagazin »Kicker« berichtet, plant auch das Land Rheinland-Pfalz die Polizeimehrkosten direkt bei seinen Profivereinen zu vereinnahmen: Innenminister Roger Lewentz (SPD) will offenbar im nächsten Jahr eine entsprechende Gebührenregelung erlassen. Betroffen wäre der FSV Mainz 05, der die Erhebung von Gebühren ebenfalls kategorisch ablehnt. »In der Konsequenz könnte das bedeuten, dass unter dem Aspekt des Wettbewerbs und der Chancengleichheit einzelne Klubs benachteiligt werden«, teilte der Mainzer Vorstandsvorsitzende Stefan Hofmann mit.
Und auch für den Zweitligisten Hamburger SV könnte ein gravierender Standortnachteil entstehen, wenn die Hamburger Politik dem Bremer Beispiel folgt. Die Parteigenossen Lewentz und Mäurer wollen das Thema bereits am Mittwoch vor der Innenministerkonferenz (IMK) in Lübeck vorbringen und schlagen neben einem von der DFL gebildeten Fonds gleich eine Mustergebührenordnung vor. Eine Mehrheit wird sich auf dieser Ebene zwar so schnell nicht organisieren lassen, aber es zeichnet sich bereits ab, dass die Gebührenbescheide bald kein isoliertes Problem des kleinsten deutschen Bundeslandes mehr sein werden.
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