Die Gerechten

Wie wird man in Israel die Nachricht aufnehmen, dass eine Vereinigung, die sich dem Andenken der Ermordeten verpflichtet fühlt, in Deutschland nicht mehr als gemeinnützig gelten soll?

  • Gerhard Hoffmann
  • Lesedauer: 2 Min.

Jedes Jahr im April bietet sich auf dem Ettersberg bei Weimar das gleiche Bild: Vor dem zart sprießenden Frühlingsgrün der Bäume flattern Fahnen vieler Nationen im Wind, getragen von Jugendlichen. Vielsprachiges Stimmengewirr ist auf dem einstigen Appellplatz des Konzentrationslagers Buchenwald zu vernehmen. Kameradschaftliche Umarmungen der Überlebenden des Naziterrors. Von Jahr zu Jahr schrumpft jedoch die Schar der Zeitzeugen. Um so wichtiger ist es, dass wir ihr Vermächtnis bewahren und an die heutige Jugend weiterreichen.

Ich habe mich gefreut und geehrt gefühlt, als mich ehemalige Häftlinge in die Lagerarbeitsgemeinschaft Buchenwald-Dora aufnahmen, die am 19. April 1945 auf dem Ettersberg ihren Schwur geleistet hatten mit der Kernaussage: »Die Vernichtung des Nazismus mit seinen Wurzeln ist unsere Losung. Der Aufbau einer neuen Welt des Friedens und der Freiheit ist unser Ziel.« Ich habe meine inzwischen jahrzehntelange aktive Mitgliedschaft in der VVN-BdA stets als Auftrag verstanden, Kenntnisse über die Verbrechen des deutschen Faschismus weiterzuvermitteln, um somit zur Immunisierung gegen das Karzinom Faschismus/Neonazismus beizutragen. Mit Peter Hochmuth gab ich unter dem Titel »Buchenwald, ich kann dich nicht vergessen« Lebensbilder von ehemaligen Häftlingen heraus, und mit Gitta Günther verfasste ich ein Lexikon, »Konzentrationslager Buchenwald 1937 bis 1945« - damit nicht vergessen wird, was nicht vergessen werden darf.

Mehrere ehemalige Buchenwaldhäftlinge wurden vom Staat Israel als »Gerechte unter den Völkern« geehrt, weil sie ihr Leben einsetzten, um das Leben jüdischer Leidensgefährten zu retten, darunter die deutschen Kameraden Willy Bleicher, Walter Krämer, Alfred Leikam, Walter Sonntag, Wilhelm Hammann und Otto Herrmann. Krämer, bereits in der Nacht des Reichstagsbrandes am 27. Februar 1933 unter Missachtung seiner Immunität als Abgeordneter des preußischen Landtags (KPD) verhaftet, musste 1937 das KZ Buchenwald mit aufbauen. Der Kapo vom Häftlingskrankenbau bildete sich autodidaktisch im Lager medizinisch weiter und verbesserte die hygienischen Bedingungen, wie Eugen Kogon überlieferte. Wo approbierte Mediziner der SS versagten, führte der gelernte Schlosser schwierige operative Eingriffe erfolgreich durch. Zugleich war er im illegalen Internationalen Lagerkomitee (ILK) aktiv. Krämer wurde am 6. November 1941 von der SS im Außenkommando Goslar ermordet. In Yad Vashem, der zentralen israelischen Gedenkstätte, wird er seit 1999 geehrt, ebenso in seiner Geburtsstadt Siegen.

Wie wird man in Israel die Nachricht aufnehmen, dass eine Vereinigung, die sich dem Andenken der Ermordeten verpflichtet fühlt und für künftige Generationen sichert, in Deutschland nicht mehr als gemeinnützig gelten soll? Als Zeichen eines Paradigmenwechsels? Ich werde mich dem nicht unterwerfen. Ich fordere, dass der Bescheid sofort und bedingungslos korrigiert wird.

Gerhard Hoffmann, Jg. 1944, war Lehrer und lebt in Frankfurt (Oder).

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