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Im Stadion sind alle gleich

Die Fans des SV Babelsberg 03 setzen sich für Inklusion beim Fußball ein.

  • Marie Frank
  • Lesedauer: 5 Min.

»Babelsberg, Babelsberg« und »Forza 03« schallt es aus der Nordkurve herüber. Am Platz von Jens Killmey in der Ostkurve des Potsdamer Karl-Liebknecht-Stadions ist es nicht ganz so laut wie drüben bei den Ultras, dafür hat er hier bessere Sicht. Killmey sitzt in seinem Rollstuhl am Fuße der Stehtribüne und verfolgt gebannt das Fußballspiel des Viertligisten SV Babelsberg 03 gegen die Berliner vom BFC Dynamo. Schon zur ersten Halbzeit liegen die Männer in den blau-weißen Trikots mit dem »Seebrücke«-Aufdruck auf der Brust 0:3 hinten. Ein Ergebnis, das sich zum Leidwesen der Fans des Tabellenvorletzten der Regionalliga Nordost bis zum Abpfiff nicht ändern wird.

»Ich gehe schon seit den 80er Jahren zu Babelsberg«, erzählt der 54-Jährige. Seit er nach einem Schlaganfall vor neun Jahren im Rollstuhl sitzt, war der gebürtige Potsdamer jedoch meistens nur noch bei den Heimspielen seiner Mannschaft dabei. Bis vor ein paar Monaten, als aus der Fanszene heraus das Projekt »ALLE zusammen - voran 03« ins Leben gerufen wurde. Das Inklusionsprojekt hat sich zum Ziel gesetzt, Menschen mit Behinderung besseren Zugang zu den Spielen des linken Traditionsvereins zu ermöglichen.

Keiner bleibt alleine

»Wir haben gemerkt, dass Rollstuhlfahrer*innen eher separiert sind und auswärts gar nicht dabei waren«, sagt Bastian Schlinck, der die Kampagne im April gemeinsam mit behinderten und nichtbehinderten Fans initiiert hat. Das wollte der ehemalige Fanprojektleiter der »Nulldreier« ändern. Da es seitens des Vereins keine Struktur dafür gibt, nahmen die Fans die Sache einfach selbst in die Hand. »Wir haben im Fanprojekt erst mal ein gemeinsames Frühstück mit den Rolli-Fahrern gemacht, um uns kennenzulernen«, erzählt Schlinck. Anschließend haben sie dann eine Facebook-Seite erstellt und gemeinsame Fahrten organisiert. »Es gab eine krass positive Resonanz«, so der 37-Jährige. »Anfangs dachten wir, wenn es gut läuft, kriegen wir bis zum Saisonende drei Auswärtsfahrten hin - jetzt, kurz vor der Winterpause sind es schon fünf«, freut er sich.

Janine Voeltz geht seit zwei Jahren regelmäßig ins »KarLi«. Weil ihr Elektroroller am Morgen den Geist aufgegeben hat, sitzt sie an diesem Tag im Sitzbereich der Haupttribüne, statt bei den anderen in der Ostkurve. Über die Inklusionskampagne haben sie noch versucht, kurzfristig einen Ersatz aufzutreiben. Das hat zwar nicht geklappt, aber immerhin eine Begleitung konnte organisiert werden. »Es ist toll, dass man jetzt nicht mehr alleine ist«, findet die 37-Jährige. Meistens sind sie zu dritt oder zu viert; am vergangenen Wochenende haben sie gemeinsam ein eigenes Banner gemalt, das nun gegenüber in der Nordkurve hängt. »Jetzt macht es richtig Spaß«, findet die Potsdamerin. Dass sie nun die Möglichkeit hat, zu Auswärtsspielen zu fahren, findet sie besonders toll: »Das habe ich vorher noch nie gemacht.«

Bei drei Auswärtsspielen war Voeltz bisher dabei, meist in Berlin oder im näheren Umland. Über die Inklusionskampagne werden dafür Begleitungen bei der Anreise und während des Spiels durch andere Babelsberg-Fans organisiert. Auch bei Heimspielen, etwa für behinderte Fans, die aus Berlin anreisen. »Die Beteiligung hält sich noch in Grenzen«, sagt Bastian Schlinck. Acht, neun Leute seien regelmäßig dabei - Behinderte und Unterstützer*innen zusammengezählt. »Wir sind ein Team und machen da keine Unterschiede«, betont er.

Schon mit öffentlichen Verkehrsmitteln ist die Anreise für die Rollstuhlfahrer*innen wegen mangelnder Barrierefreiheit beschwerlich, vor allem in Berlin, etwa am Alexanderplatz, sagt Janine Voeltz. Trotzdem seien Auswärtsfahrten »eine schöne Erfahrung«, sind sich Voeltz und Killmey einig. Doch nicht alle Spiele sind mit der Bahn zu erreichen. Und das ist das Problem: Für die Anmietung rollstuhlgerechter Busse fehlt der Kampagne das Geld. Jens Killmey würde sich daher wünschen, dass der Verein Busse bereitstellt. Aber die Mittel des Viertligisten sind begrenzt: »Wir haben kleine Vereinsbusse für die Jugend, die dafür genutzt werden können«, sagt Barbara Paech vom Vorstand des SV Babelsberg 03. Die sind jedoch nicht immer verfügbar, und als kürzlich einer der Busse kaputtging und die Rollstuhlfahrer*innen Zu Hause bleiben mussten, war die Frustration groß. »Da muss vom Verein mehr kommen«, findet Killmey.

Der Verein zieht mit

»Wir sind sehr froh über diese Initiative aus der Fanszene und versuchen, die Inklusionskampagne im Rahmen unserer Möglichkeiten zu unterstützen«, sagt Paech. Dadurch gebe es mittlerweile sehr viel mehr Sensibilität für das Thema Inklusion. Etwa bei der Frage von Stadionplätzen für Rollstuhlfahrer*innen. Die sind in der Regionalliga alles andere als selbstverständlich. Beim Auswärtsspiel gegen den SV Lichtenberg 47 mussten Voeltz und Killmey das Spiel im gegnerischen Block verfolgen. Für Voeltz ein ungutes Gefühl. »Es ist mir unangenehm, auf der Seite der anderen Mannschaft zu stehen«, sagt sie.

Damit die Rolli-Fahrer*innen nicht so separiert sind, hätte Bastian Schlinck am liebsten einen großen Bus mit mehreren Rolli-Plätzen, in dem alle Fans gemeinsam zu Spielen fahren können, wo sie auch zusammen im Block stehen. Das ist jedoch nicht nur eine Frage der Ausstattung. »Das geht natürlich nicht bei allen Spielen«, räumt er ein. »Es muss klar sein, dass alle sicher nach Hause kommen und nicht etwa der Bus angegriffen wird.« Dass diese Befürchtung nicht unrealistisch ist, zeigt sich kurze Zeit später, als die BFC-Fans die Babelsberg-Anhänger*innen aggressiv als »Zigeuner« beschimpfen.

Vom Ziel einer »inklusiven Partizipation von allen, die Bock auf Fußball haben«, wie es sich Initiator Bastian Schlinck wünscht, ist das Projekt noch weit entfernt. Er sieht jedoch bereits jetzt einen Empowerment-Effekt für die Betroffenen. Der nächste Schritt sei nun, diese auch in die Vereinsstrukturen zu integrieren. »Ein Behindertenbeauftragter wäre ein erster Schritt«, meint Schlinck. Auch für die nächsten Fanbeiratswahlen im März wollen Vertreter der Kampagne kandidieren. »Das Wichtigste ist, die Geduld nicht zu verlieren«, sagt Schlinck. »Inklusion ist nichts, das irgendwann erreicht ist. Das ist ein Dauerthema.«

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