Der Polizeiflüsterer

Berlin bekommt im kommenden Jahr einen unabhängigen Bürgerbeauftragten.

  • Philip Blees
  • Lesedauer: 5 Min.

Der Beauftragte wird kommen«, versichert Frank Zimmermann, innenpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus. Die Regierungsfraktionen von SPD, Linkspartei und Grünen haben sich laut Zimmermann inhaltlich auf die Stelle des unabhängigen Polizeibeauftragten geeinigt. Im Januar kommenden Jahres soll das entsprechende Gesetz in Abgeordnetenhaus eingebracht werden. Dadurch soll eine Stelle geschaffen werden, an die sich alle Bürger*innen wenden können, die sich von der Polizei ungerecht behandelt fühlen. Bis es so weit ist, dauert es allerdings noch etwas. Zunächst muss die Behörde aufgebaut werden. Die Linksfraktion rechnet damit, dass die unabhängige Stelle ihre Arbeit Ende 2020 aufnimmt, die SPD bringt den 1. Januar 2021 ins Spiel. Wer den Posten übernehmen wird, ist derzeit noch nicht klar.

Zuletzt hatte es geheißen, dass der oder die Polizeibeauftragte, welche*r auch für Bürgerbelange im Allgemeinen zuständig sein soll, bereits im Dezember im Parlament besprochen werden soll. Dies revidierte Zimmermann nun: »Das ist zu früh«, sagte sie dem »nd«. Man habe sich auf den Inhalt des Gesetzes geeinigt, es gebe allerdings noch Klärungsbedarf bei dem Verhältnis zum Petitionsausschuss. Das sei das Schwierigste am Gesetz, da rechtlich keinem Bürger eine Petition verweigert werden darf und sich die Funktionen von Beauftragtem und Ausschuss überschneiden. Zimmermann ist sich aber sicher: »Das können wir ausräumen.«

Was die neue Behörde tun soll

Derweil haben die Fraktionen von Linkspartei und Grünen dem Gesetzesentwurf schon zugestimmt. Im Frühjahr stehe dann der Aufbau der Behörde an, sagt Niklas Schrader, innenpolitischer Sprecher der Linkspartei, dem »nd«. Dabei orientiere man sich an der vergleichbaren Stelle in Rheinland-Pfalz. Diese habe rund 20 Mitarbeiter*innen bei ähnlicher Einwohner*innenzahl im Bundesland, allerdings mit etwas weniger Polizei. Der Aufwand in Berlin wird folglich etwas höher sein. Die Stelle soll »multidisziplinär« aufgestellt sein: Neben Verwaltungsangestellten und Sachbearbeiter*innen muss es auch Personen geben, die rechtliche Fragen angehen. »Ich hätte auch kein Problem mit zwei oder drei abgeordneten Polizeibeamten«, so Schrader. Diese dürften allerdings nicht im Mittelpunkt stehen. Die Unabhängigkeit muss gegeben sein.

Finanziell hat man sich noch nicht festgelegt. Kursierende Zahlen von 200 000 Euro weist Zimmermann zurück. Das müsse man entscheiden, wenn das Gesetz eingebracht worden ist, so der Innenpolitiker. Dann müsse der Haushalt entsprechend angepasst werden. Auch die Frage der Behördenleitung ist nach wie vor ungeklärt. Bisher liegen noch keine Vorschläge vor, wer diese übernehmen könnte. Anforderungen wären neben der nötigen Kompetenz vor allem die Akzeptanz aller Seiten, ohne die die Funktion als Mediator nur schwer wahrgenommen werden kann. Gewählt wird die oder der Beauftragte dann vom Parlament. »Dienstherr wird der Präsident des Abgeordnetenhauses sein«, sagt Zimmermann. Der oder dem Polizeibeauftragten wird also, ähnlich wie bei der Datenschutzbeauftragten, eine eigenständige Behörde unterstehen.

Doch wie genau wird die Arbeit der Stelle aussehen? »Zunächst soll er ein Mediator sein«, erklärt Zimmermann. Probleme sollen erkannt, durch eigene Ermittlungen bearbeitet und schließlich vor allem durch Gespräche gelöst werden. Sollte rechtswidriges Verhalten oder Ähnliches aufgedeckt werden, wird die zuständige Behörde, etwa die Staatsanwaltschaft eingeschaltet. Der oder die Beauftragte hat also vor allem eine Filter- und eine Befriedungsfunktion. Dafür soll die Stelle über verschiedene Plattformen für Bürger*innen, Polizeibeamt*innen, aber auch das Parlament erreichbar sein.

»Es kann sich jeder melden«, bestätigt auch der Innenexperte Niklas Schrader. Ob es um rechtswidriges Verhalten oder andere Probleme geht, sei erst einmal nebensächlich. Inhaltlich passe sich die Arbeit dabei der Nachfrage an. Nach dem Motto: Was gemeldet wird, wird auch bearbeitet. Doch auch strukturelle Probleme könnten angegangen werden. Schrader nennt als Beispiel die Untersuchung von gesetzlichen Normen, die möglicherweise Rassismus begünstigen. Zeitnah wird das wohl aber nicht passieren: »Das wird sicherlich etwas dauern«, so der Linkenpolitiker. Zunächst einmal müsse die Stelle in der Bevölkerung bekannt gemacht werden, um auch flächendeckend aufklären zu können.

Was die Gewerkschaft fordert

Im Gegensatz zu schon erprobten Beauftragten in anderen Bundesländern geht Berlin noch einen Schritt weiter: Bereits während laufender Verfahren kann die oder der Polizeibeauftragte ermitteln - immer in Abstimmung mit dem Innensenat. Das erleichtert die Aufklärung und verhindert Verzögerungen. Wenn etwa in Rheinland-Pfalz Anzeige gegen Polizeibeamte gestellt wird, muss der Polizeibeauftragte erst mal abwarten. Das wollte insbesondere die Linkspartei verhindern.

Der Gewerkschaft der Polizei (GdP) ist allerdings nach wie vor unklar, wie genau die Arbeit des oder der unabhängigen Polizeibeauftragten aussehen wird. »Nach unseren Informationen diskutieren die Fraktionen noch über die genaue Ausgestaltung«, sagt Benjamin Jendro, Sprecher der Berliner GdP, dem »nd«. Für ihn ist vor allem wichtig, dass die Stelle »vollkommen unabhängig« und ohne politischen Auftrag als Schnittstelle agiert. Auch Polizist*innen sollten sich mit Problemen an sie wenden können, betont Jendro. Welche Probleme das sein könnten, lässt er offen.

Den Polizeigewerkschafter stört vor allem die fehlende Transparenz des Prozesses. Bis zuletzt habe die Politik offengelassen, wie ihre Vorstellungen zu der Stelle sind. Das habe zu Mutmaßungen und auch Vorurteilen gegenüber der oder dem Beauftragten seitens der Polizei geführt. Inhaltlich könne man zum jetzigen Stand allerdings noch nichts kritisieren, so Jendro. Die Verantwortlichen seien offen für die Vorschläge der Polizeigewerkschaft. Die fordert, dass sich in der Stelle polizeiliche Expertise wiederfindet und genügend Personal vorhanden ist. Und dass auch die Interessen der Polizist*innen berücksichtigt werden. Ob Letzteres der GdP recht gemacht werden kann, ist allerdings fraglich, da die Stelle ja gerade auch polizeiliches Fehlverhalten untersuchen soll.

Der SPD-Innenpolitiker Zimmermann ist froh über die konstruktive und auch positive Rückmeldung der GdP. Auch der innenpolitische Sprecher der Linksfraktion, Niklas Schrader, ist guter Dinge: »Wir sind weiter als alle anderen bisherigen Modelle«, lobt er den Gesetzesentwurf. Die geforderte große Unabhängigkeit sei gegeben. Damit steht der Einführung wohl nicht mehr viel im Wege. Jetzt muss das Ganze nur noch umgesetzt werden.

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