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Zwei Dämpfer
LINKE-Delegierte reagieren auf Pläne der Spitze bei ersten Parteitag nach der Landtagswahl in Thüringen mit Zurückhaltung
Der Moment, in dem die Führung der Thüringer Linkspartei an diesem Samstag den ersten Dämpfen bekommt, dauert nur wenige Sekunden. Die wirken umso kürzer, weil es in den Stunden zuvor keinen offenen Streit um das gegeben hatte, worüber in diesen Sekunden abgestimmt wird. Darüber nämlich, ob die Linkspartei im Freistaat nun eine »Volkspartei« ist. Also das, was die Thüringer CDU seit Langem und laut für sich reklamiert. Während die Thüringer Sozialdemokraten dieses Label für sich immer seltener in Anspruch nehmen und nehmen können.
Doch ganz anders als die SPD hat die LINKE bei der jüngsten Landtagswahl gegenüber der vergleichbaren Wahl 2014 eben nicht nur Stimmen hinzugewonnen, sondern war auch noch Wahlsieger geworden. Insgesamt 31 Prozent der Thüringer hatten ihre Zweitstimme der Partei von Ministerpräsident Bodo Ramelow gegeben - auch um ihm im Amt zu halten.
Der Landesvorstand der Linkspartei um die Parteivorsitzende Susanne Hennig-Wellsow findet deshalb, dass die LINKE in Thüringen nun eine Volkspartei ist und hatte diesen Begriff deshalb zwei Mal in einen sogenannten Initiativantrag gepackt, mit dem die Partei festschreiben will, wohin sich Thüringen aus ihrer Sicht in den nächsten Jahren entwickeln soll. Kurz: Das Land soll sozialer werden.
Doch in den wenigen Sekunden gehen viele Delegiertenhände nach oben, die für einen Änderungsantrag stimmen, das Wort »Volkspartei« aus diesem Antrag zu streichen. Ohne, dass es dazu zuvor eine lange Auseinandersetzung auf der Parteitagsbühne gegeben hätte. So viele sind es schließlich, dass die Mehrheit auf diesem Parteitag dagegen votiert. In der Begründung des entsprechenden Änderungsantrag heißt es, die derzeitigen Entwicklungen zeigten, »dass die Zeit der Volksparteien vorbei ist«. Zudem habe die LINKE mit dem Begriff »Volk« nichts zu gewinnen.
Zwar zeigt sich Hennig-Wellsow von dieser Argumentation ein paar Minuten später ziemlich unbeeindruckt. Sie reagiert betont gelassen auf das Votum der Delegierten. Diese fremdelten mit dem Begriff »Volk«, weil sie damit völkische Politikansätze verknüpften, sagt sie. Der Vorstand verknüpfe mit dem Begriff Volkspartei dagegen eine Partei, »die in alle Altersbereiche und Milieus reicht«. Diese Feststellung hätten die Delegierten nicht kritisiert. Doch da weiß sie auch noch nicht, dass auch sie selbst kurz vor einem Dämpfer steht, dem zweiten des Tages. Keinem großen vielleicht. Aber sicher einem kleinen.
Insgesamt ist die Stimmung auf diesem ersten Parteitag der Thüringer Linkspartei seit ihrem Wahlsieg ruhig, keinesfalls euphorisch, aber gleichzeitig auch nicht rebellisch oder aufwieglerisch. Ja, es gibt und hier und da Kritik, die LINKE habe in den vergangenen Regierungsjahren nicht genug eigene Projekte umgesetzt. Mehrfach wird auch der linke Chef der Staatskanzlei, Benjamin-Immanuel Hoff, dafür kritisiert, dass er sich zuletzt zu sehr an die Bundeswehr angenähert habe. Doch wirklich harsche Worte bleiben aus. Während aber niemand im Saal eine klare, präzise und genaue Vorstellung davon zu haben scheint, wie die Partei nun ihre politischen Ziele umsetzen will, da Rot-Rot-Grün wegen des schwachen Abschneidens von SPD und Grünen bei der jüngsten Landtagswahl seine Mehrheit im Thüringer Landtag verloren hat. Wie genau die Option Minderheitsregierung mit Leben gefüllt werden soll, ist nach wie vor unklar.
Und weil das so ist, lässt sich mit diesem Schwebezustand vielleicht auch erklären, warum es keinen Streit, erst recht keine Generalabrechnung auf diesem Parteitag gibt - und Hennig-Wellsow trotzdem mit einem nur mäßigen Ergebnis in ihrem Amt bestätigt wird. Die 42-Jährige bekommt 93 Ja- von 128 abgegebenen Stimmen, was einer Zustimmung von etwa 73 Prozent entspricht. Bei ihrer Wahl zur Landesvorsitzenden vor zwei Jahren hatte die Erfurterin noch etwa 85 Prozent der Delegiertenstimmen erhalten.
Noch deutlich schwächer ist bei den wichtigen Wahlen auf diesem Parteitag nur das Ergebnis von Mathias Günther. Der 57-jährige Südthüringer wird zwar wie geplant zum Landesgeschäftsführer gewählt. Aber er bekommt nur etwa 57 Prozent der Delegiertenstimmen. Dass er eine Stasi-Vergangenheit hat, ist offenbar selbst vielen, vor allem jungen Linken, zu viel. Der ehemalige Offizier der DDR-Grenztruppen räumt ein, dass er mit dem Ministerium für Staatssicherheit sowohl dienstlich zu tun hatte, als auch, dass er 1986 eine IM-Verpflichtungserklärung unterschrieb. Inzwischen sieht er das als Fehler.
Eine junge Parteifreundin hatte Günther kurz vor seiner Wahl noch gefragt, wie sie denn aus seiner Sicht damit umgehen solle, wenn er nun »augenscheinlich« Stasi-Vorwürfe auch gegen sie legitimiere. Seine Antwort: »Es tut mir leid, wenn ihr so angegriffen werdet, aber ich glaube nicht, dass diese Angriffe aufhören werden, wenn ihr euch von mir trennt.« Überzeugt hat dieses Antwort mutmaßlich nur wenige.
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