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»Besser und solidarischer reagieren«
Der Leiter des UNHCR in Österreich hofft auf dauerhafte Lösungen in der internationalen Flüchtlingspolitik
Neben dem Klimaschutz ist kaum ein anderes Thema weltumspannend so virulent wie der Umgang mit Geflüchteten. Doch erst jetzt richtet das UN-Flüchtlingshilfswerk (UNHCR) erstmalig ein Globales Flüchtlingsforum in Genf aus. Vertreterinnen und Vertreter von 192 UN-Mitgliedstaaten sowie von Nichtregierungsorganisationen, aus der Wirtschaft und Wissenschaft nehmen bei dem dreitägigen Gipfel von Montag bis Mittwoch eine Art Bestandsaufnahme vor.
Außerdem sollen konkrete Projekte beschlossen werden, um die globalen Fluchtbewegungen einzudämmen. Christoph Pinter, Leiter des UNHCR in Österreich, ist mit Blick auf das Forum durchaus optimistisch, wie er bei einem Gespräch in Wien sagt. Deutlich verhaltener wird er, wenn es um die Rolle der österreichischen Regierung geht.
Das Flüchtlingsforum, das zukünftig alle vier Jahre stattfinden soll, geht aus dem im Dezember 2018 in New York unterzeichneten Globalen Pakt für Flüchtlinge hervor. Bei der Konferenz in Genf sollen alle relevanten Akteure zusammenkommen, um zukünftig »besser, vorhersehbarer und solidarischer auf Fluchtbewegungen reagieren zu können«, erklärt Pinter. Im Zentrum stehe die Frage nach der globalen Verantwortung und die nach dauerhaften Lösungen.
Anders als bei ähnlichen Formaten soll am Ende keine gemeinsame Erklärung stehen, sondern es sollen bereits konkrete Projekte beschlossen werden. Ziel sei es, so Pinter, »ein Jahr nach Annahme des Flüchtlingspakts, zu sehen, wie die Ziele des Flüchtlingspakts in der Praxis konkret umgesetzt werden können«.
Rechtlich bindend werde die Vereinbarung jedoch nicht sein. Vordergründig gehe es bei dem Treffen um Kooperation und Austausch verschiedener Akteure aus Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft. Insgesamt werden rund 1200 Teilnehmerinnen und Teilnehmer erwartet, darunter auch Geflüchtete. Neben dem Gastgeberland Schweiz ist Deutschland einer der insgesamt sechs Co-Veranstalter.
Großen Handlungsbedarf sieht Pinter derzeit vor allem im Bereich Resettlement, also der gezielten Umverteilung vertriebener Menschen von Flüchtlingslagern in aufnahmewillige Länder. Aktuell seien immer weniger Länder bereit, Geflüchtete aufzunehmen - während die Notwendigkeit ständig steigt, kritisiert der Leiter von UNHCR Österreich. In Zahlen ausgedrückt bedeutet das: In diesem Jahr wurden bis Ende Oktober knapp 55 000 Menschen aus einem der Dutzenden Flüchtlingscamps in ein Aufnahmeland umverteilt. Der weltweite Bedarf liege aktuell aber bei rund 1,5 Millionen.
Die geringe Zahl ist laut Pinter vor allem auf die restriktivere Migrationspolitik der USA zurückzuführen. Konnten unter der Obama-Administration zu Spitzenzeiten noch rund 100 000 Menschen in die USA migrieren, sind es in diesem Jahr lediglich 30 000. Für 2020 sollen es dann nur mehr 18 000 sein.
Hier sei die internationale Gemeinschaft wieder mehr gefragt, so Pinter. Und: »Ich hätte natürlich auch einige Wünsche an Österreich.« Den Konjunktiv verwendet er bewusst. Denn Pinter weiß: »Mit dem Ansatz der derzeitigen Bundesregierung, keine Beschlüsse zu fassen, die die nächste Regierung nachhaltig binden wird, wird wohl keiner dieser Wünsche Realität werden.« Solange die derzeitige Übergangsregierung am Werk ist, beschränkt sich die österreichische Bundespolitik auf die Verwaltung des Bestehenden.
Dabei sei Österreich gut beraten seinen Anteil zu leisten, kritisiert Pinter. Die Alpenrepublik leiste im europäischen Vergleich ohnehin unterdurchschnittlich wenig humanitäre Hilfe und die letzten Geflüchteten, die im Rahmen eines Resettlement-Programms österreichischen Boden betraten, taten dies im Jahr 2017. Immerhin 1900 Personen gelangten damals so nach Österreich.
In den beiden darauffolgenden Jahren, während der Amtszeit von konservativer ÖVP und nationalistische FPÖ, nahm Österreich keinen einzigen Geflüchteten aus einem dieser Programme auf. Jetzt, da ohnehin weit weniger Menschen über die Grenze nach Österreich kommen als noch in den Jahren 2015 und 2016, könnten jährlich 500 bis 1000 Menschen nach Österreich umverteilt werden, fordert Pinter. »Ich hoffe, dass das Teil des neuen Regierungsprogramms wird.«
Ob es so kommt, bleibt fraglich. Derzeit lässt das österreichische Engagement noch zu wünschen übrig. Eine fixe Zusage, am Gipfel teilzunehmen, wollte im Vorfeld nur das Frauenfußballteam der Flüchtlingsmannschaft »Kicken ohne Grenzen« geben, aber keiner der österreichischen Ministerinnen und Minister.
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