Gymnasium verbietet Jogginghosen

In Hannover: Bei Erscheinen im bequemen Look droht Strafe - Kultusminister sieht das kritisch

  • Hagen Jung
  • Lesedauer: 3 Min.

»Jogginghosen sind ein Zeichen der Niederlage. Wer Jogginghosen trägt, hat die Kontrolle über sein Leben verloren.« Sprach dereinst der im Februar verstorbene Designer Karl Lagerfeld. Obwohl die beliebten Beinkleider auch unter dem Namen eben jenes »Modezaren« produziert wurden und werden. Für durchschnittlich 175 Euro ist die »Jogginghose aus Baumwolle von Karl Lagerfeld« online zu haben. Was Wunder, wenn sein Hosenspruch wohl eher zum Schmunzeln anregt, als dass er ernst genommen wird. Für die Schülerinnen und Schüler des privaten Oskar-Kämmer-Gymnasiums in Niedersachsens Hauptstadt Hannover jedoch ist die Absage an die Jogginghose bitterer Ernst. Allerdings kommt das Nein zu ihr nicht vom Modealtmeister Lagerfeld, sondern von der Schulleitung, von Rektorin Alvira Ramazanova.

Sie meint, Jogginghosen und Leggins seien »keine angemessene Kleidung« für den Unterricht und droht allen, die dem Verbot zuwiderhandeln, Sanktionen an, Strafarbeiten. Wer trotz der aktuellen Anordnung im Schlabberlook erscheint, muss für Reinlichkeit sorgen, muss beispielsweise Mensatische sauber wischen oder wird zum Fegen des Schulhofes verdonnert.

Nicht nur in Medien erntet Ramazanova für die Anordnung, die ab 2020 gilt, so manche Kritik, und es werden Fragen laut. Etwa die, ob für eine Schulleiterin nicht eher die Leistungen der Gymnasiastinnen und Gymnasiasten im Fokus stehen sollten anstatt der Trend junger Leute zu legerem Outfit. Zu bequemer Kleidung, der längst nicht mehr der Ruf anhaftet, »typisch« zu sein für Menschen, die, aus was für Gründen auch immer, so etwas wie eine »soziale Niederlage« im Lagerfeldschen Sinne erlitten haben. Die Jogginghose, vielleicht ist diese Erkenntnis an der Schulleiterin vorbei gegangen, ist nichts »Schichtenspezifisches«. Das zeigt schon die Preisskala. Gewiss, vom Discounter kann das viel gekaufte Stück in schlichter Version schon für knapp 10 Euro mitgenommen werden, mit dem Lacoste-Krokodil steht es für rund 80 Euro zum Verkauf, mit Armani-Label für 150 Euro, und ein Exemplar aus dem Hause Gucci belastet die Kreditkarte mit 1200 Euro.

Irgendwie erinnert das Geschehen am Kämmer-Gymnasium an das Verhalten mancher Lehrer, die in den 60er-Jahren gegen Jungen wetterten, die lange Haare trugen. Unordentlich sei das, passe nicht zum »guten Ruf der Schule«. Ob die Haartracht gepflegt war, interessierte jene Pädagogen nicht. Hauptsache »richtig schön kurz« - wenn auch so speckig, dass jede Schmalzstulle dagegen fettarm war. Wenn Alvira Ramazanova Jogginghosen erlauben, jedoch darauf drängen würde, dass sie sauber zu sein haben, wäre ihr vielleicht manch kritische Reaktion auf das Verbot erspart geblieben.

So etwa auch die Antwort von Niedersachsens Kultusminister Grant Hendrik Tonne (SPD) auf die Frage des NDR, wie er zu der Sache stehe. »Ich habe eine deutlich liberalere Meinung«, sagte der Ressortchef. Sein Haus werde in puncto Kleiderordnung keine Regelungen an öffentlichen Schulen treffen. Das ginge rechtlich gar nicht, so Tonne, denn das wären unerlaubte Eingriffe in Persönlichkeitsrechte der Schüler. Ähnlich äußerte sich der Stufenleiter einer Integrierten Gesamtschule gegenüber der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung. Er sieht in dem Hosenverbot einen »Eingriff in die freiheitliche Selbstbestimmung, der pädagogisch falsche, autoritäre Signale« setze.

In anderen Bundesländern wird das offenbar nicht so gesehen, so etwa in Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg. Auch dort haben einzelne Schulen schon vor geraumer Zeit ein Jogginghosen-Verbot erlassen. Über dessen Umsetzung in Hannover will das Oskar-Kämmer-Gymnasium nun noch einmal mit Elternvertretern sprechen, kündigt die Schule in einer Stellungnahme zur Diskussion um den »Hosenerlass« an.

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