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Weihnachtsbaum, der Klimafreund
30 Millionen Nadelbäume schmücken Heiligabend die Stuben – ist das ökologisch korrekt?
Weihnachten ohne Baum? Das geht gar nicht. In vielen Familien gehört es zum perfekten Fest, dass man vor der Bescherung an Heiligabend gemeinsam die Tanne, Fichte oder Kiefer schmückt. Spätentschlossene finden bis einschließlich 24. Dezember und sogar darüber hinaus noch reiche Auswahl an den Verkaufsplätzen.
Bis zu 29 Millionen Weihnachtsbäume verbreiten in deutschen Stuben festliche Stimmung, schätzt Brandenburgs Forstministerium. Doch nach einer Woche oder, wenn sie nicht zu stark nadeln, auch zwei oder drei Wochen nach Neujahr werden die Bäumchen in der Regel wieder ausrangiert. Im Durchschnitt acht bis zwölf Jahre alt sind sie, wenn sie der Säge zum Opfer fallen. Aufgezogen für kurze Momente der Glückseligkeit - das klingt in Zeiten von dürregeschädigten Wäldern und Klimawandel schon etwas schräg.
Im Forstministerium in Potsdam, das ja auch für Umwelt und Klimaschutz zuständig ist, sieht man das durchaus differenziert. Zum einen ist der Betrieb von großflächigen Weihnachtsbaumplantagen ökologisch nicht unbedenklich, da er mit erhöhtem Energie- und Wasserverbrauch sowie Einsatz von Pflanzenschutzmitteln verbunden ist. Dennoch gewährleisten regionale Anbieter immerhin relativ kurze Transportwege.
Wie jedes Jahr hatten die Landeswaldoberförstereien des Landesbetriebs Forst Brandenburg (LFB), die insgesamt 272 559 Hektar Landeswald bewirtschaften, auch 2019 zur Weihnachtsbaumaktion eingeladen. Dabei können Interessenten unter fachlicher Beratung ihren Wunschbaum selbst aussuchen und »schlagen«. Bei heißer Schokolade, Glühwein und Gegrilltem sind das regelrechte Familienevents. Zum Saisonauftakt Mitte November hatte der damalige Minister Jörg Vogelsänger (SPD) versichert: »Die Brandenburger Weihnachtstanne mit kurzem Transportweg ist umweltfreundlich und nachhaltig.«
Auf nd-Anfrage teilte das Ministerium mit: »Im Landeswald gibt es nur noch kleinflächigen Anbau von Weihnachtsbäumen, im Jahr 2018 wurden 11 700 Bäume verkauft, diese stammen überwiegend aus der normalen Waldbewirtschaftung und es handelt sich um Kiefern und Blaufichten.« Der lokale Weihnachtsbaum habe die beste Ökobilanz und halte sich zudem lange frisch. Diese Bäume würden zudem unter Strom- oder Leitungstrassen wachsen. Auch der Naturschutzbund Deutschland (NABU) ist dem Weihnachtsbaum durchaus zugetan, sieht aber Plantagen ungleich kritischer. Gut 90 Prozent der hierzulande verkauften Bäume kämen aus Deutschland - zumeist allerdings aus eigens angelegten Kulturen. »Auf den Plantagen wird in der Regel kräftig gespritzt und gedüngt: Insektizide gegen Rüsselkäfer und Läuse, Herbizide gegen konkurrierendes Gewächs und Mineraldünger für einen gleichmäßigen Wuchs und für eine intensive Grün- und Blaufärbung der Nadeln«, heißt es beim NABU. Und so empfehlen auch die Umweltschützer den Kauf von heimischen Fichten, Kiefern oder Tannen, die auf den Sonderflächen der regionalen Forstbetriebe wachsen. Dort gekaufte Weihnachtsbäume seien eine gute Alternative zu Plantagenbäumen, sie könne man ohne schlechtes Gewissen kaufen. »Noch besser, aber schwerer zu finden, sind regionale Weihnachtsbäume aus ökologisch bewirtschafteten Weihnachtsbaumkulturen, die man an dem FSC-, Naturland- oder Bioland-Siegel erkennt«, so der NABU.
Gerald Mai, der Besitzer des Werderaner Tannenhofes, betrachtet sich keineswegs als Naturfrevler. Der Betriebshof des Familienbetriebes im Ortsteil Plessow befindet sich an der Lehniner Chaussee, unmittelbar neben dem bekannten Obsthof Lindicke, der die Obstanbautradition der Region hochhält.
Gerald Mai, Jahrgang 1958, hat in der DDR Maschinenbau studiert und als Ingenieur gearbeitet. 1989/1990 übernahm er den kleinen Plessower Garten seiner Eltern. »Wir haben mit einem kleinen Weihnachtsbaumhandel angefangen, haben 1990 mit Blaufichten angefangen«, erinnert er sich. »Angefangen haben wir mit anderthalb Hektar, inzwischen haben wir 70 Hektar Betriebsfläche, auf 50 Hektar davon stehen Weihnachtsbäume.«
Die Eheleute Mai beschäftigen sieben Mitarbeiter und, wenn das Hauptgeschäft läuft, etliche Saisonkräfte. Sohn Christian (31) will den Betrieb bald übernehmen. Jedes Jahr verkaufen sie »Zehntausende« Weihnachtsbäume an den 33 eigenen Verkaufsstellen in Berlin, Potsdam und Umgebung, aber auch zwischen Rostock, Schwerin, Cottbus und Halle. Auf rund 20 Hektar bieten sie »Weihnachtsbäume zum Selbstschlagen« an. »Mehrere Tausend Bäume verkaufen wir allein dort ab November«, sagt Gerald Mai. Der Tannenhof macht seinen Kunden dazu ein Rundum-glücklich-Angebot mit eigenem Hofladen und einigermaßen wetterfester Gastronomie. Das alles soll bis 2021 vergrößert werden.
Der Werderaner Tannenhof kultiviert vor allem Nordmanntannen, verschiedene Fichten und Kiefern, Douglasien, Coloradotannen - insgesamt zehn Arten. »Die Nordmanntanne kommt als vierjähriger Setzling in den Boden, acht Jahre braucht sie, bis sie zwei Meter misst«, sagt Gerald Mai. Das geschehe möglichst naturnah, versichert er. Die Flächen werden mit Dolomitkalk oder organischen Düngern, meist Stallmist, gedüngt. Auf Chemie wird möglichst verzichtet. Wasser, von dem die Setzlinge gerade im ersten Jahr viel benötigen, kommt aus dem nahen Glindower Brauchwasserwerk. Auf der Plantage wurden viele Vorgelarten angesiedelt, es gibt 20 Sitzkrücken für Bussard und Milan, Falken- und Nistkästen. »Wir sind zwar kein zertifizierter Biobetrieb, produzieren aber nachhaltig und umweltschonend«, sagt Mai. Für hohe Standards richte er sich nach dem Qualitätssicherungs- und Zertifizierungssystem GLOBALG.A.P.
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