»Mauern der Gleichgültigkeit«

Der Papst mahnt einen menschlichen Umgang mit Flüchtlingen an - geprägt ist die Debatte von anderen Maßstäben

  • Lesedauer: 3 Min.

Papst Franziskus hat in seiner Weihnachtsbotschaft »Mauern der Gleichgültigkeit« gegenüber Flüchtlingsschicksalen beklagt. »Der Sohn Gottes, der vom Himmel auf die Erde gekommen ist, gebe denen Schutz und Geleit, die in der Hoffnung auf ein sicheres Leben emigrieren müssen«, betete der Papst. Es sei »die Ungerechtigkeit, die sie dazu zwingt, Wüsten und Meere, die zu Friedhöfen werden, zu überqueren«. Dabei müssten sie »unsagbare Misshandlungen, Knechtschaft jeder Art und Folter in den unmenschlichen Auffanglagern« ertragen. Vor allem die Kinder litten unter den Konflikten im Nahen Osten und der ganzen Welt.

Mauern scheinen indessen in der Debatte um Aufnahme minderjähriger Migranten aus griechischen Lagern weiterhin unüberwindbar. Der luxemburgische Außenminister Jean Asselborn fordert hier eine EU-weite Lösung. Ein »Alleingang einiger weniger Staaten« reiche nicht aus, sagte Asselborn dem »Spiegel«. Es gehe um die Aufnahme von höchstens 4000 Minderjährigen, betonte Asselborn. »Für jede Million Einwohner der EU sind das genau neun Menschen. Ihre Aufnahme ist für niemanden ein Kraftakt, wenn alle Staaten mitziehen.« Mindestens drei Viertel der Betroffenen auf den griechischen Inseln hätten Anspruch auf Asyl.

Die EU wird sich seit Jahren nicht einig über eine Verteilung ankommender Migranten. Ungarn, Polen und Tschechien weigern sich seit Jahren, einen entsprechenden EU-Beschluss umzusetzen. Ende vergangener Woche hatte Grünen-Chef Robert Habeck eine Debatte entfacht, indem er sich dafür stark machte, dass Deutschland bis zu 4000 Kinder von den griechischen Inseln holt. Das Bundesinnenministerium wies den Vorstoß jedoch zurück und pochte auf eine europäische Lösung. Die es aber nicht gibt.

Währenddessen haben in den Weihnachtstagen weitere Flüchtlinge den Tod gefunden, die versuchten, Europas Außengrenzen zu überwinden. Mindestens sieben Menschen starben auf dem Van-See im Südosten der Türkei. 64 Menschen konnten türkischen Medienberichten zufolge gerettet werden. Die Migranten an Bord des Bootes kamen demnach aus Afghanistan, Bangladesch und Pakistan. Die spanische Küstenwache konnte hingegen an Weihnachten rund 200 Migranten aus selbstgebauten Booten retten. Nach Angaben der Internationalen Organisation für Migration (IOM) starben in diesem Jahr mindestens 1246 auf dem Weg über das Mittelmeer nach Europa.

Zugleich haben 2019 weniger Menschen versucht, Europas Grenzen zu überwinden. Bis Ende 2019 würden voraussichtlich etwa 120 000 unerlaubte Einreisen in die Europäische Union gezählt, sagte der Direktor der EU-Grenz- und Küstenschutzbehörde Frontex, Fabrice Leggeri, in einem Interview mit der »Welt«. Das seien rund zehn Prozent weniger als 2018 und weitaus weniger als 2015, als Frontex noch 1,2 Millionen irreguläre Grenzübertritte registriert hatte. Die Menschen flüchten im Vergleich zum Vorjahr stärker nach Griechenland und auf die Kanarischen Inseln.

Die wenigsten von ihnen erreichen die Bundesrepublik. Die Zahl der Asylbewerber ist erneut deutlich gesunken, wie aus Statistiken der EU hervorgeht. Laut Eurostat beantragten zwischen Januar und November insgesamt 133 270 Menschen erstmals Asyl in Deutschland. Demnach gab es einen Rückgang um 13 Prozent im Vergleich zum gleichen Zeitraum des Vorjahres. Bereits 2018 war eine Abnahme der Zahl der Asylanträge in Deutschland um 16 Prozent registriert worden.

Zugleich wurden von Januar bis Oktober 2019 fast 21 000 Menschen ohne Aufenthaltsberechtigung abgeschoben, wie die Zeitungen der Funke-Mediengruppe unter Berufung auf Angaben der Bundespolizei berichteten. Dies seien etwa 1000 Abschiebungen weniger als im Vorjahreszeitraum. Bundespolizeipräsident Dieter Romann kritisiert diese »Stagnation der Rückführungszahlen« und nennt als Grund »ein erhebliches Maß« an stornierten Abschiebungen durch die Bundesländer. Agenturen/nd

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.