Touristen müssen raus aus Buschfeuer-Region

An der Küste Australiens evakuierte die Marine Urlauber. Andernorts werden Nahrungsmittel und Benzin knapp

  • Barbara Barkhausen, Sydney
  • Lesedauer: 4 Min.

In Australien wächst das Ausmaß der Buschfeuer. Nachdem die Feuerwehr eine Region südlich von Sydney wegen der anhaltenden Buschfeuer zur Sperrzone für Touristen erklärt hat, bildeten sich kilometerlange Staus. Gleichzeitig ist die Marine dabei, Hunderte Urlauber aus einem eingeschlossenen Ort an der Südostküste zu evakuieren.

Mehr und mehr entwickelt sich die Buschfeuerkrise in Australien zur humanitären Katastrophe. In den von den Bränden teils zerstörten Gemeinden zwischen Melbourne und Sydney gehen Nahrungsmittel, Wasser und Benzin aus. »Uns wird allen langsam bewusst, was hier passiert«, sagte Nicole Halcro, eines der Buschfeueropfer, in einem Fernsehinterview. »Es gibt keine Lebensmittel, kein Wasser, wir haben nichts mehr zu essen.«

Teilweise spielten sich am Donnerstag chaotische Szenen ab. »Letzte Nacht standen wir fünf Stunden in Narooma an, um zu tanken«, schrieb die Journalistin Lucy Shannon auf sozialen Medien. Die Eigentümer der Tankstelle hätten einen Generator beschaffen müssen, nachdem es keinen Strom mehr gab, berichtete die Australierin. Als sie um Mitternacht schlossen, hätten viele kein Benzin mehr bekommen.

Auch vor den Supermärkten bildeten sich ab sechs Uhr morgens lange Schlangen. Hier ließen Mitarbeiter teilweise nur 20 Kunden gleichzeitig ein, um Chaos zu vermeiden, wie lokale Medien berichteten.

Tausende waren am Donnerstag aufgefordert, die Region südlich von Sydney zu verlassen. Die Feuerwehr erklärte die von Feuern gebeutelte Region zur Sperrzone für Urlauber. Sie will das mildere Wetter seit dem Neujahrstag nutzen, die Region weitgehend zu evakuieren, bevor sich die Wetterbedingungen am Samstag wieder drastisch verschlechtern sollen.

Doch nachdem einige wichtige Verkehrsadern nach wie vor wegen der Brände gesperrt sind, bildeten sich auf den wenigen offenen Highways kilometerlange Schlangen von Autos. Einige Reisende berichteten, wie sie vier Stunden für eine Strecke benötigten, die normalerweise nur vierzig Minuten in Anspruch nimmt.

Mallacoota im südöstlichen Bundesstaat Victoria, das weltweite Schlagzeilen machte, nachdem sich 4000 Menschen an Silvester in dem von Feuern umzingelten Ort an den Strand und aufs Wasser flüchten mussten, erhielt Unterstützung von der Marine. Diese brachte Vorräte sowie Wasser und begann mit der Evakuierung von mehreren hundert Menschen.

Tony Murphy, der stellvertretende Katastrophenschutzbeauftragte in Victoria, sagte, dass diejenigen, die bei ihren Wohnwägen und Autos bleiben wollen, unter Umständen Wochen warten müssten, bis die Straßen wieder befahrbar sind.

Während die kleinen Ferienorte gegen die Feuer kämpfen, leiden auch die australischen Städte unter den Folgen der Brände.

Sydney wie auch das im Landesinneren liegende Canberra sind seit Wochen immer wieder rauchverhangen. Canberra war am Donnerstag die Stadt mit der größten Luftverschmutzung weltweit. Atemschutzmasken waren in sämtlichen Geschäften ausverkauft.

Die Feuer, die bereits in den Frühlingsmonaten der Südhalbkugel starteten, haben inzwischen landesweit rund fünf Millionen Hektar Land - eine Fläche größer als die Schweiz - zerstört. Mindestens 17 Menschen sind seit Beginn der Brände ums Leben gekommen, doch die Zahl wird nach dem katastrophalen Silvestertag höchstwahrscheinlich weiter ansteigen. Etliche Menschen gelten immer noch als vermisst. 1300 Häuser sind inzwischen abgebrannt.

Außerdem kamen bei den Bränden schon jetzt Millionen Tiere ums Leben. Ökologen der Universität von Sydney schätzen, dass rund 480 Millionen Säugetiere, Vögel und Reptilien in den Feuern verendet sind. Über 8000 Koalas starben vermutlich allein im Bundesstaat New South Wales.

Immer mehr wird die Katastrophe auch zum Spielball der Politik. Premierminister Scott Morrisons Botschaft an die Opfer war am Donnerstag: »Bleiben Sie ruhig und geduldig.« Seine verhaltene Reaktion auf die Krise - Morrison besuchte das Feuerkrisengebiet erst am Donnerstag und weicht Fragen nach dem Klimawandel aus - hat seine Kritiker auf den Plan gerufen.

Anthony Albanese, Parteichef der sozialdemokratischen Opposition, wies in einer Pressekonferenz darauf hin, dass die Tragödie genau mit der Vorhersage von Wissenschaftlern übereinstimme. Diese hätten gewarnt, dass Australien als trockener Kontinent besonders empfänglich für die Folgen des Klimawandels sei. »Uns wurde gesagt, dass die Buschfeuersaison länger und intensiver sein würde, und das ist genau, was wir jetzt sehen.« Unmittelbar nach der Dürre hätten jetzt sogar Teile des tropischen Regenwaldes zum ersten Mal gebrannt. Das sei ganz sicher alles nicht normal, sagte Albanese.

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