Trauma ohne Ende

Psychosoziale Versorgung von Geflüchteten soll verbessert werden / Sprache großes Problem

  • Marie Frank
  • Lesedauer: 3 Min.

Das Trauma endet nicht mit der Ankunft in Berlin: »Viele Geflüchtete haben schlimme Erfahrungen in Kriegssituationen gemacht, aber auch auf der Flucht und in der Zeit danach«, so Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci (SPD) am Montag im Abgeordnetenhaus. Unter Geflüchteten kämen psychische Erkrankungen daher weitaus häufiger vor als beim Rest der Bevölkerung. »Hier ist eine adäquate Versorgung nötig«, so die Senatorin.

Das sehen die Abgeordneten von SPD, LINKE und Grünen genauso. Im Ausschuss für Gesundheit, Pflege und Gleichstellung forderten sie am Montag den Senat in einem Antrag dazu auf, die psychosoziale Versorgung Geflüchteter zu verbessern. »Experten gehen davon aus, dass bis zu 40 Prozent der Menschen, die hierher geflohen sind, psychotherapeutisch behandelt werden müssen«, heißt es dort zur Begründung. Das Asylbewerberleistungsgesetz schließe Geflüchtete jedoch von der psychosozialen Versorgung weitgehend aus. Und da die Krankenkassen keine Dolmetscher finanzieren und es kaum niedergelassene Psychotherapeut*innen mit entsprechenden Sprachkenntnissen gibt, blieben viele psychische Erkrankungen von Geflüchteten unbehandelt.

Um dagegen vorzugehen, sollen Übergangsstrukturen abgesichert und geprüft werden, wie sie ins Regelsystem überführt werden können. Bis zum 30. Juni 2020 soll der Senat darlegen, wie die frühzeitige Diagnose und Behandlung traumatisierter Geflüchteter gestaltet werden kann.

Ein großes Problem sind dabei die sprachlichen Barrieren. »Wir brauchen eine interkulturelle Öffnung des sozialpsychiatrischen Dienstes als direkter Ansprechpartner in den Bezirken«, so Catherina Pieroth von der Grünenfraktion. Die Abgeordnete fordert darüber hinaus Verhandlungen mit der kassenärztlichen Vereinigung über eine Erstattung der Kosten für die Sprachmittlung.

Häufig bleiben niedergelassene Ärzte nämlich auf den Kosten für Dolmetscher*innen sitzen, wie Martin Schönpflug von der Fachstelle Traumatisierte und Opfer schwerer Gewalt vom Zentrum »Überleben« berichtet. »Es ist sehr schwierig, eine Sprachmittlung für die Behandlung zu bekommen«, sagt der Psychotherapeut zu »nd«. »Die Ärzte müssen das Geld erst einmal auslegen und dann warten, ob es überhaupt finanziert wird. Und selbst wenn das der Fall ist, dauert es eine ganze Weile.« Für ihn ist klar: »Es müsste deutlich mehr Geld zur Verfügung stehen und unbürokratischer laufen.«

Die Abgeordneten fordern in ihrem Antrag daher mehr Unterstützung von niedergelassenen Ärzt*innen und Psychotherapeut*innen bei der Sprachmittlung. Zudem brauche es in Flüchtlingsunterkünften bei der psychotherapeutischen Begleitung und Betreuung mehr Personal. Auch müssten die Angestellten des Landesamts für Flüchtlingsangelegenheiten (LAF) für das frühzeitige Erkennen von Behandlungsbedarf professionalisiert werden.

Die Gesundheitssenatorin sieht den Senat auf einem guten Weg und verweist auf den kürzlich beschlossenen Doppelhaushalt 2020/21, in dem mehr Mittel für die psychosoziale Versorgung von Geflüchteten vorgesehen seien. »Wir haben die Weichen gestellt, diesem Antrag gerecht zu werden«, so Kalayci. Am Ende wird der Antrag mit den Stimmen der Koalition angenommen, FDP und AfD stimmen dagegen, die CDU enthält sich.

Ebenfalls im Antrag enthalten ist die Forderung nach einem Ausbau der Fachstellen des Berliner Netzwerks für besonders schutzbedürftige Flüchtlinge, zu dem auch das Zentrum »Überleben« gehört. Das alleine wird jedoch nicht reichen. »Wir machen die Erstdiagnose und verweisen dann weiter an die psychiatrischen Institutsambulanzen«, erklärt Schönpflug. Das Problem: »Wir verweisen oft ins Leere.« Wartezeiten von zwei bis drei Monaten seien dort nicht unüblich, erzählt der Psychotherapeut. »Das ist bei akuten Belastungen ein Problem.«

Diese Schwierigkeit kennen viele Berliner*innen mit psychischen Problemen, egal woher sie kommen. »Die psychosoziale Versorgung dieser Stadt ist eine Katastrophe«, konstatiert auch der FDP-Abgeordnete Florian Kluckert. Die meisten Einrichtungen seien zu 100 Prozent ausgelastet. »Hier besteht dringend Handlungsbedarf. Wir brauchen neue Einrichtungen oder müssen mit Brandenburg zusammenarbeiten«, fordert der Diplom-Psychologe.

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