Proteste gegen Rentenreform erfolgreich, gehen aber weiter

Konflikt noch nicht zu Ende / Für Sonntag erwarten Pariser Verkehrsbetriebe weitere Beeinträchtigungen

  • Lesedauer: 3 Min.

Paris. Trotz Zugeständnissen der Regierung im Konflikt um die Rentenreform ist der Streik in Frankreich noch nicht zu Ende. Für diesen Sonntag erwarteten die Pariser Verkehrsbetriebe RATP und die Staatsbahn SNCF weiter Beeinträchtigungen im Verkehr. Zwar seien alle Metro-Linien geöffnet, bedient werde der Großteil der Linien aber nur am Nachmittag, teilte RATP mit. Die Gewerkschaft CGT rief zu einem weiteren branchenübergreifenden Protesttag in der kommenden Woche auf.

Die französische Regierung hatte am Samstag bekannt gegeben, dass die Regelung, nach der die Franzosen erst mit 64 Jahren volle Rentenbezüge erhalten sollen, vorläufig aus der Gesetzesreform gestrichen werde, erklärte Frankreichs Premierminister Édouard Philippe am Samstag in einem Schreiben an die Sozialpartner. Die Regierung sei »bereit, das entscheidende Alter von 64 Jahren vorübergehend aufzuheben«, schrieb Philippe an die Gewerkschaften.

Das Alter ist bisher der Hauptstreitpunkt zwischen den Gewerkschaften und der Regierung gewesen. Die gemäßigte Gewerkschaft CFDT begrüßte den Schritt. Dieser zeige den Willen der Regierung, einen Kompromiss zu finden, erklärte die Gewerkschaft in einer Mitteilung. CFDT will demnach die Diskussionen in dem neuen vorgeschlagenen Rahmen fortsetzen. Die Hardliner-Gewerkschaft CGT lehnte die Reform weiterhin ab. Die CGT sei »mehr denn je entschlossen«, die Rücknahme der Rentenreform zu erreichen, hieß es in einer Mitteilung. Sie kündigte Demonstrationen für die kommende Woche an.

Staatschef Emmanuel Macron nannte den Schritt einen »konstruktiven Kompromiss«, wie die Nachrichtenagentur AFP unter Berufung auf den Élyséepalast berichtete.

In dem Schreiben an die Gewerkschaften sprach sich Philippe zudem für eine Konferenz zur dauerhaften Finanzierung des Rentensystems aus. Dieser Vorschlag war von der Gewerkschaft CFDT gekommen. Der größte Arbeitgeberverband MEDEF erklärte in einer Stellungnahme, sich uneingeschränkt an der Finanzierungskonferenz beteiligen zu wollen, um die richtigen Maßnahmen für ein finanzielles Gleichgewicht des Rentensystems zu gewährleisten. Die Konferenz soll ihre Ergebnisse nach Angaben des Schreibens von Philippe bis Ende April vorstellen.

Das gesetzliche Renteneintrittsalter liegt in Frankreich bei 62 Jahren und soll bei der Reform auch nicht verändert werden. Allerdings hätten Arbeitnehmer, die mit 62 in Rente gehen, nach den Plänen mit Abschlägen rechnen müssen. CFDT-Gewerkschaftschef Laurent Berger hatte die Regelung wiederholt »ungerecht« genannt.

Mehr als die Wirtschaftsleistung
Frankreichs Staatsverschuldung steigt über die Marke von 100 Prozent des BIP

Mit der Reform soll für die Rente ein universelles Punktesystem ähnlich wie in Deutschland eingeführt werden. Damit würde die Zersplitterung in mehr als 40 Rentenkassen enden. Viele Berufsgruppen fürchten allerdings ein Aus für Sonderrechte und Privilegien. Die Regierung war ihnen bereits mit sehr langen Übergangsfristen entgegengekommen.

In Paris und weiteren Städten kam es am Samstag erneut zu Demonstrationen gegen das Rentenvorhaben. In ganz Frankreich gingen der Gewerkschaft CGT zufolge eine halbe Million Menschen auf die Straße. Das französische Innenministerium sprach landesweit von rund 149.000 Teilnehmern, davon 21.000 in Paris. In der Hauptstadt kam es erneut zu Zusammenstößen zwischen Demonstranten und der Polizei. dpa/nd

Wir-schenken-uns-nichts
Unsere Weihnachtsaktion bringt nicht nur Lesefreude, sondern auch Wärme und Festlichkeit ins Haus. Zum dreimonatigen Probeabo gibt es ein Paar linke Socken von Socken mit Haltung und eine Flasche prickelnden Sekko Soziale – perfekt für eine entspannte Winterzeit. Ein Geschenk, das informiert, wärmt und das Aussteiger-Programm von EXIT-Deutschland unterstützt. Jetzt ein Wir-schenken-uns-nichts-Geschenk bestellen.
- Anzeige -

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

- Anzeige -
- Anzeige -