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Linkspartei kritisiert neue Kohle-Einigungen als unzureichend
Bund und Länder einigen sich auf neue Ziele / Hambacher Forst soll erhalten bleiben
Berlin. Der Bund und die Länder mit Braunkohleförderung haben sich auf einen Fahrplan für die Abschaltung von Kraftwerken geeinigt. Die Einigung wurde bei einem Spitzentreffen im Kanzleramt erzielt, wie Regierungssprecher Steffen Seibert nach den rund sechsstündigen Beratungen in der Nacht zum Donnerstag mitteilte. Die Vereinbarung sieht unter anderem vor, dass das Ende der Kohleverstromung in Deutschland möglicherweise um einige Jahre vorgezogen wird.
Bislang ist als Enddatum für den Kohleausstieg das Jahr 2038 anvisiert. Laut der nun erzielten Vereinbarung solle geprüft werden, ob der Ausstieg möglicherweise schon drei Jahre früher abgeschlossen werden kann, erklärte Seibert.
Vereinbart wurde laut Seibert auch, dass der Hambacher Forst im rheinischen Braunkohlerevier nicht für den Tagebau gerodet werden soll. Das Waldgebiet war zu einem Brennpunkt des Protests von Klimaschutzaktivisten gegen die Kohlewirtschaft geworden. Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) schrieb nach der Nachtsitzung im Kanzleramt im Kurzbotschaftendienst Twitter: »Nordrhein-Westfalen geht voran bei Ausstieg aus Kohleverstromung und CO2-Reduktion. Hambacher Forst bleibt erhalten.«
LINKE fordert Kohleausstieg bis 2030
Die Linkspartei hat auf die Bund-Länder-Einigung mit Zurückhaltung reagiert. »Der Kohleausstieg im Schneckentempo dauert deutlich zu lange, um das Pariser Klimaabkommen einzuhalten«, erklärte der LINKEN-Klimaexperte Lorenz Gösta Beutin am Donnerstag in Berlin. Er bekräftigte die Forderung nach einem Ausstieg aus der Kohleverstromung bis 2030 statt wie von der Regierung geplant bis spätestens 2038.
Beutin begrüßte allerdings, dass nun »nach Jahren der fahrlässigen Verschleppung durch die große Koalition« endlich »überhaupt ein sozial abgesicherter Abschaltplan für Kohlekraftwerke« vorliege. Auch der Erhalt des Hambacher Forsts in Nordrhein-Westfalen sei »ein Sieg der Klimabewegung«.
Beutin forderte, die Gelder für die Kohleländer müssten jetzt in einem Bund-Länder-Staatsvertrag festgeschrieben und an Nachhaltigkeitskritierien und Bürgerbeteiligung gebunden werden. Zudem verlangte er, für die Renaturierung der durch den Kohlebergbau zerstörten Landschaften die Energieunternehmen zur Kasse zu bitten und nicht die Steuerzahler.
An dem Spitzentreffen bei der Kanzlerin hatten die Länder-Regierungschefs Reiner Haseloff (CDU, Sachsen-Anhalt), Michael Kretschmer (CDU, Sachsen), Armin Laschet (CDU, Nordrhein-Westfalen) und Dietmar Woidke (SPD, Brandenburg) teilgenommen.
Die Bundesregierung bekräftigte laut Seibert ihre Zusage, die vom Kohleausstieg betroffenen Bundesländer und Regionen im Zeitraum bis spätestens 2038 mit einer Gesamtsumme von 40 Milliarden Euro zu unterstützen. Sie sagte demnach ferner zu, dass sie Beschäftigten im Braunkohle-Tagebau und in Braunkohle- wie Steinkohlekraftwerken ein sogenanntes Anpassungsgeld zahlen wird. Dieses solle bis 2043 gezahlt werden. Für Beschäftigte im Steinkohle-Bergbau gibt es diese Zahlungen bereits.
Den Gesetzentwurf zum Kohle-Ausstieg will die Bundesregierung nun noch im Januar auf den Weg bringen, wie Seibert ferner mitteilte. Das Gesetzgebungsverfahren solle im ersten Halbjahr 2020 abgeschlossen werden.
Die ersten Blöcke werden dieses Jahr ausgeschaltet
»Der Kohleausstieg beginnt sofort, er ist verbindlich«, betonte Umweltministerin Svenja Schulze (SPD). Acht sehr alte und dreckige Blöcke würden schnell abgeschaltet, sagte sie. Alle acht würden von RWE im Rheinland betrieben, als erstes Abschaltdatum ist der 31.12.2020 genannt.
Das Braunkohlekraftwerk Jänschwalde in Brandenburg soll von 2025 bis 2028 vom Netz gehen. Das Kraftwerk in der Lausitz ist nach Angaben des Betreibers Leag derzeit das drittgrößte Kraftwerk Deutschlands, wenn die Blöcke in der Sicherheitsbereitschaft eingerechnet werden.
Die ersten beiden Blöcke des sächsischen Kohlekraftwerks Boxberg gehen Ende 2029 vom Netz. Der Rest in Boxberg folgt Ende 2038.
Das Braunkohlekraftwerk Schkopau in Sachsen-Anhalt soll bis 2034 laufen. Beim Kraftwerk Lippendorf südlich von Leipzig ist das Ausstiegsdatum auf Ende 2035 festgelegt. Das Kraftwerk Schwarze Pumpe soll bis Ende 2038 vom Netz.
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Im Vorfeld des Kohle-Gipfels hatten Vertreter der Kohle-Länder auf mehr Planungssicherheit gedrungen. Schon vor einem Jahr war im sogenannten Kohlekompromiss der schrittweise Ausstieg aus der Kohleverstromung bis 2038 beschlossen worden. Seitdem hatte es aber in den Planungen für die Umsetzung immer wieder Zwist zwischen Bundesregierung und Bundesländern sowie auch innerhalb der Bundesregierung gegeben. AFP/nd
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