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Noch ein Aufbäumen zum Streikausklang
Macron war im Theater - und Frankreich eine Bühne für Polizeigewalt, 55 000 Gelbwesten und radikale Aktionen
Die Streiks und Proteste gegen die Rentenreform ebben dem Umfang nach ab, doch zum Ausklang gibt es hier und da gewalttätige Ausschreitungen von verbitterten Franzosen, die die absehbare Niederlage nicht hinnehmen wollen.
Premierminister Edouard Philippe hat Ende der vergangenen Woche ein geflügeltes Wort des Vorsitzenden der Kommunistischen Partei, Maurice Thorez, von 1936 aufgegriffen, der nach einem machtvollen Arbeitskampf erklärt hatte: »Man muss es verstehen, einen Streik zu beenden.« Doch das ist nicht einfach bei den gegenwärtigen Streiks und Protesten gegen die geplante Rentenreform, denn Präsident Emmanuel Macron und seine Regierung sind offensichtlich entschlossen, in keinem wesentlichen Punkt nachzugeben, sondern die Streiks durchzustehen und abzuwarten, bis die Protestwelle verebbt. Mit dieser Taktik haben sie schon 2017 erfolgreich die »Liberalisierung« des Arbeitsrechts durchgesetzt. Auch den dreimonatigen Intervall-Streik bei der Eisenbahn gegen die Bahnreform haben sie 2018 »ausgesessen«.
Damit könnten sie jetzt wieder Erfolg haben. Die Streiks, die am 4. Dezember begonnen haben und die die Teilnehmer bisher schon eineinhalb Monatsgehälter gekostet haben, gehen dem Ende entgegen. Die in den Pariser Verkehrsbetrieben stärkste Gewerkschaft UNSA hat am Wochenende eine Vollversammlung der Metrofahrer durchgeführt: Diese haben mit großer Mehrheit beschlossen, ihren Streik ab Montagmorgen »auszusetzen«, um die Proteste »in anderer Form fortzusetzen«.
Es wird darauf verwiesen, dass am kommenden Freitag der 7. Streik- und Aktionstag gegen die Rentenreform stattfindet. Während die Metrofahrer in Paris maßgeblich waren für die starke Einschränkung des Verkehrs, beteiligten sich deutlich weniger Busfahrer und andere Beschäftigte. Auch bei der Staatsbahn SNCF spielten die Lokführer die zentrale Rolle für den Streik. Doch ihre Beteiligung ist inzwischen auf 20 Prozent gesunken und die aller Eisenbahner im Schnitt auf 5 Prozent. Eine Folge: Der Bahnverkehr hat sich zu 80 Prozent wieder normalisiert. Entsprechend muss sich auch die bei der SNCF stärkste Gewerkschaft CGT Gedanken machen, wie sie ihren Streik erhobenen Hauptes beendet. Wesentlich für ihr Image und damit ihre künftige Wirksamkeit wird sein, wie sich die Gewerkschaften zu unkontrollierten Gewaltakten verhalten.
So sind am Freitagvormittag mehrere Dutzend Mitglieder der CGT ins Gebäude der reformistischen Gewerkschaft CFDT eingedrungen, um dem Vorsitzenden Laurent Berger wegen seiner Verhandlungsbereitschaft das Fell zu gerben. Die Polizei hat sie abgeführt. Die CGT-Führung hat sich von der Aktion distanziert.
Am Abend drangen mehr als 30 Personen gewaltsam in ein Pariser Theater ein, wo sich Macron und seine Frau ein Stück ansehen wollten, und riefen »Macon démission«. Der Aufenthaltsort des Präsidenten war durch den Tweet eines Journalisten bekanntgeworden, der sich zufällig in dem Theater befand. Ein ominöses »Streikkomitee des 12. Arrondissements von Paris« hatte diese Information aufgegriffen und im Netz dazu aufgerufen, die Gelegenheit zu nutzen, »Macron gehörig die Meinung zu sagen«. Die Polizei drängte die Menschen wieder aus dem Gebäude. Nach dem Ende der Vorstellung fuhr Macron unter Pfiffen und Rufen von inzwischen mehreren hundert Personen ab.
Auch die seit einem Jahr jeden Sonnabend stattfindenden Demonstrationen der Gelbwesten sind durch das Thema Rentenreform wieder im Aufschwung. Dieses Mal nahmen laut Innenministerium landesweit 55 000 Menschen teil, allein 9000 in Paris. Hier kam es am Platz der Republik zu Ausschreitungen. Bänke und anderes Stadtmobiliar wurden demoliert, Autos und Mülltonnen gingen in Flammen auf. Die Polizei setzte Wasserwerfer, Tränengas, Blendgranaten und Gummiknüppel gegen die Menschen ein. Nach Angaben der Polizeipräfektur wurden 200 Personen vorübergehend festgenommen, nachdem bereits vor der Demonstration 20 000 Menschen »vorbeugend kontrolliert« worden waren.
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