Warnstreiks unerwünscht

In der neuen Tarifrunde will die IG Metall mit einem »Zukunftspaket« Arbeitsplätze sichern

  • Hans-Gerd Öfinger
  • Lesedauer: 3 Min.

Am Dienstag empfahl der IG-Metall-Vorstand den regionalen Tarifkommissionen die rasche Aufnahme regionaler Sondierungsgespräche. Diese sollen Tarifverhandlungen mit den Ablegern des Unternehmerverbands Gesamtmetall über ein »Zukunftspaket« zur Sicherung der Arbeitsplätze einleiten. Insbesondere in den von Absatzeinbrüchen sowie vom digitalen und ökologischen Wandel erfassten Betrieben solle nun »das Feld für Zukunftstarifverträge bereitet werden, die Investitions- und Produktzusagen, Qualifizierung und den Ausschluss betriebsbedingter Kündigungen sichern«, erklärte Gewerkschaftschef Jörg Hofmann. Als weitere Themen nannte er Verbesserungen für Auszubildende und dual Studierende, die Angleichung der tariflichen Arbeitszeit im Osten auf die im Westen längst erreichte 35-Stunden-Woche sowie Betriebsrenten.

Im Januar hatte sich der Vorstand der mitgliederstärksten DGB-Einzelgewerkschaft moderat gezeigt. Er verzichtete auf eine konkrete Lohnforderung und unterstrich seine Bereitschaft zu einem raschen Abschluss ohne Warnstreiks. Dem Arbeitgeberverband schlug Hofmann ein Friedensangebot in Form eines »Zukunftspakets« zur Reduzierung des Arbeitszeitvolumens vor. Im Gegenzug verlangte er von den Unternehmen ein »Moratorium für einen fairen Wandel«, dessen Kernpunkt der Verzicht auf »einseitige Maßnahmen zu Personalabbau, Ausgliederungen, Produktionsverlagerung und Standortschließungen« sein solle.

Die Frist für eine verbindliche Rückantwort von Gesamtmetall lief am Montag dieser Woche ab. In den vergangenen Tagen hatten sich mehrere regionale Unternehmensverbände gesprächsbereit gezeigt, gleichzeitig aber auch ihre Forderungen und Begehrlichkeiten ins Gespräch gebracht. So kommt für sie ein Eingriff in die Verfügungsgewalt der Unternehmer nicht in Frage. Man sehe sich nicht in der Lage, von den Mitgliedsbetrieben für die Dauer eines Moratoriums einen Verzicht auf Personalabbau, Ausgliederungen, Verlagerungen und Betriebsschließungen zu verlangen, erklärten führende Verbandsfunktionäre in Bayern, Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen. Damit erteilten sie einem zentralen Begehren der IG Metall eine Absage. Dennoch bekräftigte Hofmann noch einmal seine Forderung an Gesamtmetall, in diesem Sinne »auf die Mitgliedsfirmen einzuwirken«. Dies sei eine Voraussetzung für erfolgreiche Verhandlungen, so der Gewerkschafter.

Zudem brachten die Verbandsfunktionäre in Bayern, Baden-Württemberg und Hessen zum Leidwesen der Gewerkschafter eine fünfjährige Laufzeit künftiger Tarifverträge ins Gespräch. Dem widersprach Jörg Köhlinger, Chef im IG-Metall-Bezirk Mitte. Zudem forderte Südwestmetallchef Stefan Wolf, »wir müssen den Anstieg der dauerhaft wirkenden Kosten stoppen«, und regte als »Beitrag der Beschäftigten zur Transformation« ein längere Pause bei Lohnerhöhungen an, ohne ausdrücklich von »Nullrunde« zu sprechen. Begehrlichkeiten nach einem Einfrieren der Löhne erteilte der IG-Metall-Vorstand am Dienstag wiederum »eine klare Absage«.

Unterdessen bezeichnen kritische IG Metaller um das »Netzwerkinfo Gewerkschaftslinke« das bisherige Vorgehen der Gewerkschaftsführung als defensiv und attestieren dem eigenen Vorstand »Betteln statt Tarifkampf«. Ihnen missfällt, dass die Gewerkschaftsspitze die Tarifrunde ohne konkrete Lohnforderung begonnen hat und noch vor Ablauf der Friedenspflicht am 1. Mai ohne Warnstreiks abschließen möchte. Dies sei »eine offene Einladung an das Kapital, in Hinterzimmern auf Kosten der Kollegen eine Nullnummer auszubaldowern!« Ohne Kampf gebe es bestenfalls »Krümel vom Tisch der Bosse«, heißt es in der Februarausgabe des Netzwerkinfos. »Aus Tarifkommissionen im Land sind bereits Vorstellungen zwischen vier und sechs Prozent zu hören«, so das Blatt. »Diese Diskussion darf nicht abgewürgt werden.« Statt der alten gewerkschaftlichen Zielsetzung einer Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich sähen Unterlagen der IG- Metall-Tarifkommission für Baden-Württemberg bereits die Möglichkeit von Kurzarbeit mit Aufzahlung und Arbeitszeitabsenkung nur mit Teillohnausgleich vor.

Die für die Verhandlungen mit den Unternehmern zuständigen regionalen Tarifkommissionen der Gewerkschaft tagen am 20. Februar. Dabei sollen konkrete Beschlüsse zu den regionalen Forderungen und zur Kündigung der Entgelttarifverträge gefasst werden. Knapp eine Woche später, am Aschermittwoch, will der Vorstand der IG Metall dann die endgültige Forderung beschließen.

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