- Politik
- Fastfood
Die Wegwerfgesellschaft von McDonald’s & Co
Der Tarifstreit in der Systemgastronomie offenbart grundsätzliche Widersprüche unserer Gesellschaft
Franchise ist in der sogenannten Systemgastronomie weit verbreitet. Das macht es der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) nicht leichter, Mitglieder zu gewinnen und Tarifauseinandersetzungen zu führen. Einerseits hat sie es mit global operierenden Unternehmen wie Starbucks oder Kentucky Fried Chicken zu tun, anderseits mit abertausenden Kleinunternehmen wie im Handwerk. Auch das Handwerk ist für Gewerkschaften bekanntlich ein schwieriges, weil zu kleinteiliges Umfeld. Immerhin besitzt der durchschnittliche Franchise-Nehmer bei McDonald’s sechs Gaststätten.
In der aktuellen Tarifrunde fordert die Gewerkschaft einen Einstiegslohn von 12 Euro pro Stunde. »Wir sind angetreten, die Zeit der Armutslöhne in der Systemgastronomie zu beenden«, sagt der stellvertretende NGG-Vorsitzende Freddy Adjan. Derzeit bekämen die Mitarbeiter meist nur den Mindestlohn von 9,35 Euro pro Stunde. »Auch wer bei McDonald’s, Burger King oder Starbucks hart arbeitet, muss von seiner Arbeit leben können«, betont Adjan, der auch Verhandlungsführer ist.
Der Bundesverband der Systemgastronomie (BdS) in München, er vertritt mehr als 800 Firmen, sieht sich nicht in der Schmuddelecke. Seit der Neuausrichtung des Verbandes im Jahre 2007 gestalte man zusammen mit der Gewerkschaft NGG die Arbeitsbedingungen positiv, heißt es dort. Das Ergebnis sei unter anderem der bundesweit geltende Entgelt- und Manteltarifvertrag. Alle Mitgliedsrestaurants sind zwingend tarifgebunden, so der BdS. Und das sind durchaus die großen Namen in der Branche. »Beide Seiten müssen sich bewegen«, forderte BdS-Hauptgeschäftsführerin Andrea Belegante nach dem Scheitern der ersten Tarifrunde Anfang Dezember. Seitens der Arbeitgeber sei diese Bereitschaft vorhanden.
Die Tarifverhandlungen zwischen der Gewerkschaft und dem Unternehmensverband gestalten sich dennoch gewohnt zäh. In den ersten beiden Runden wurde für die 120 000 Beschäftigten von McDonald’s, Burger King, Nordsee, Tank und Rast, Pizza Hut, Autogrill und anderen Unternehmen keine Einigung erzielt. Das Angebot der Arbeitgeber sah einen Einstiegslohn von 9,48 Euro pro Stunde vor - 13 Cent oberhalb des seit diesem Jahr geltenden gesetzlichen Mindestlohns. »Die Arbeitgeber haben deutlich gezeigt, wie wenig sie die harte Arbeit ihrer Beschäftigten schätzen«, sagt NGG-Vize Adjan. In einem Dutzend Städte hat die Gewerkschaft mit Aktionen und Warnstreiks reagiert, und so die dritte Verhandlungsrunde, die diesen Donnerstag in Stuttgart beginnt, angeheizt.
Wie andere Niedriglohnbranchen ist die Systemgastronomie zwischen verschiedenen Interessen eingeklemmt. Der Großteil der Kundschaft will nur eines, preiswerte Produkte konsumieren. Dies zeigen Marktstudien. Faire Löhne, Gesundheit und Nachhaltigkeit sind - allen medialen Trends zum Trotz - für Verbraucher bestenfalls zweitrangig. Rund drei Milliarden Einwegbecher schmeißen beispielsweise die Bundesbürger im Jahr weg, hat die Deutsche Umwelthilfe errechnet. Und Forscher der Universität Boston fanden kürzlich heraus, dass sich die Qualität der Fastfood-Produkte, die Burger King, KFC und McDonald’s verkaufen, seit den 1980er Jahren immer weiter verschlechtert habe.
Aus Sicht der Gewerkschaft leben die Konzerne derweil auf Kosten der Allgemeinheit. Weil die Löhne so niedrig sind, müssen viele Beschäftigte ihr Einkommen bei der Bundesagentur für Arbeit aufstocken und im Alter werden sie weiter von staatlicher Hilfe abhängig sein. Anderseits ist die Systemgastronomie für manche als »Arbeitgeber« durchaus attraktiv, um das Taschengeld aufzubessern, nach der Uni-Vorlesung zu jobben oder neben Kind und Familie noch arbeiten zu können.
60 000 Menschen arbeiten allein in Deutschland für den Branchenprimus. International steigt dessen Gewinn trotz zurückgehender Umsätze: 2019 erzielte die McDonald’s Corporation weltweit einen Umsatz von rund 21 Milliarden Dollar - als Gewinn blieben davon nach Steuern sagenhafte 6 Milliarden Dollar (5,5 Milliarden Euro) hängen. Damit ist der Franchisegeber der umsatzstärkste Fast-Food-Konzern der Welt und der profitabelste.
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.