Kontroverse zum Jubiläum

Das globalisierungskritische Netzwerk feiert seinen 20. Geburtstag in der Frankfurter Paulskriche

  • Eva Krafczyk
  • Lesedauer: 3 Min.

Frankfurt am Main. Attac und Frankfurt - das hat Tradition: Die Globalisierungskritiker haben sich hier im Januar 2000 gegründet. Das Bundesbüro der Organisation befindet sich mitten im bunten Bahnhofsviertel. Zum 20-jährigen Bestehen gibt es an diesem Samstag eine Podiumsdiskussion in der Paulskirche - diesmal nicht im Rahmen einer Aktion, sondern mit Einladung von Oberbürgermeister Peter Feldmann (SPD). Das Thema passt zu Vergangenheit und Gegenwart der Attac-Aktivisten: »Zivilgesellschaft unter Druck. Die Bedeutung von kritischem Engagement für die Demokratie.«

Roland Süß (65) aus der Nähe von Heidelberg war schon damals, vor 20 Jahren mit dabei, als sich zwei Jahre nach der Gründung der französischen Attac-Bewegung auch in Deutschland Globalisierungsgegner zusammenschlossen. Ihnen ging es um ein Netzwerk zur demokratischen Kontrolle der internationalen Finanzmärkte, um »eine andere Welt«. Bei den G8-Protesten in Genua wurde das Bündnis einer breiteren Öffentlichkeit bekannt. Für Süß war eine Hauptmotivation, dass es im Unterschied zu manchen sehr theorielastigen Organisationen »nicht nur um schlaue theoretische Papiere, sondern konkrete Aktionen« ging, sagt Süß, der sich bei Attac vor allem bei den Themen Welthandel, Handelspolitik und Entwicklungspolitik engagiert.

Die Studentin Alina Nüßing steht für jüngere Gesichter von Attac. Zieht das Thema Globalisierung denn überhaupt noch, angesichts der dominierenden Diskussionen über Klimaschutz und der Generation »Fridays for future«? »Die Fridays-for-future-Bewegung spielt eine riesige Rolle und hat enormen Einfluss auf die Politisierung von jungen Menschen gehabt«, räumt die Bamberger Studentin ein. Sie selber habe sich aber schon vorher engagiert und sei zu Attac gestoßen, weil sie dort sehr viele Themen gefunden habe - nicht nur Globalisierung, sondern auch Feminismus, Antifaschismus und natürlich Umweltfragen.

Die jungen Klimaaktivisten seien aber auch für die bei Attac Engagierten ein Auftrieb, »weil wir auf einmal viel mehr waren. Es gab mehr Bündnisse, mit denen man kooperieren konnte, einfach mehr Leute, die bei dem Thema brennen und Lust haben, etwas zu machen.« Vernetzung sei dank sozialer Medien ohnehin viel leichter und schneller geworden, meint sie.

Süß zeigt er sich überzeugt: »Ohne Internet hätte es auch Attac nicht gegeben.« Auch wenn Klimagerechtigkeit gerade die jüngeren Mitglieder bewege - auch bei den Diskussionen über Welthandel sei es schon Anfang des Jahrtausends etwa um die Abholzung der Regenwälder gegangen. Die Auswirkungen internationaler Handelsabkommen auf die Menschen in Afrika oder Südamerika seien früher hingegen stärker ein Thema gewesen: »Ich glaube schon, wir hatten anfangs einen globaleren Blick.« Heute ließen sich mit diesen Themen die Menschen in Deutschland schlechter mobilisieren.

Nicht erst seit der Ministerpräsidentenwahl in Thüringen sehen Süß und Nüßing die Auseinandersetzung mit dem Rechtsruck in Teilen der Gesellschaft als wichtiges Thema. »Gut, dass da so viele Leute auf die Straße gegangen sind«, sagt Süß. »In gewisser Weise sind wir auch Teil dieser Bewegung. Es ist wichtig, da als Zivilgesellschaft aktiv zu werden.«

Da schließt sich dann wieder der Kreis zur »Zivilgesellschaft unter Druck« als Diskussionsthema in der Paulskirche. Bei der Frankfurter CDU gibt es allerdings Kritik. Die Paulskirche sei der Ort »nur sehr bedeutender Festakte« und nicht für tagesaktuelle politische Veranstaltungen, so ein Sprecher der CDU-Fraktion im Frankfurter Römer. Sie solle nicht einer Organisation für eine Jubiläumsveranstaltung überlassen werden sollte, »deren Aktivisten sich zuvor über einen klaren Hausfriedensbruch in demselben Gebäude Zutritt verschafft haben«. Die Aktivisten hatten die Paulskirche im September 2018 besetzt.

»Die Paulskirche ist genau der richtige Ort, um über Demokratie zu diskutieren«, betont dagegen eine Sprecherin von Attac. Auch die CDU sei herzlich eingeladen, zu der Debatte zu kommen: »Wir diskutieren gerne kontrovers.« dpa/nd

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