Werbung

Adelsnamen als Schnapsidee

Dr. Schmidt erklärt die Welt

  • Lesedauer: 3 Min.

Der Bundesgerichtshof hat eine neue Richterin berufen, eine Reichsgräfin von Schmettau. Was ist denn eine Reichsgräfin?

Graf ist ein relativ alter Adelstitel aus dem Mittelalter. Grafen waren anfangs so ziemlich der höchste Adel nach dem König. Nur die Kurfürsten kamen da noch drüber. Und Reichsgrafen wurden jene genannt, die keinem Territorialfürsten, sondern direkt dem Kaiser unterstanden.

Dr. Steffen Schmidt erklärt die Welt

Dr. Steffen Schmidt, Jahrgang 1952, ist Wissenschaftsredakteur des »nd« und der Universalgelehrte der Redaktion. Auf fast jede Frage weiß er eine Antwort - und wenn doch nicht, beantwortet er eine andere.

Foto: nd/Ulli Winkler

Und auf welches Reich bezog sich das?

Mit dem Deutschen Reich von 1870/71 hat der Titel nichts zu tun, der stammt noch aus dem Heiligen Römischen Reich deutscher Nation. Als das Ganze noch ein großer Gemischtwarenladen von kleineren und größeren Fürstentümern war. Das endete schon 1806 während der Napoleonischen Kriege.

Warum wurden diese Titel nicht vor hundert Jahren zusammen mit der Monarchie abgeschafft?

Als Titel sind sie es im Prinzip, nur sind die Deutschen dann - anders als die Österreicher - auf die Schnapsidee verfallen und haben einen Namensbestandteil daraus gemacht. So wie in Deutschland ja bizarrerweise auch der Doktortitel Namensbestandteil ist.

Als Trostpflaster für den Machtverlust?

Naja, eigentlich brauchten die kein Trostpflaster, denn in der Regel behielten sie ihre Liegenschaften und Häuser. So sind die Fürsten von Thurn und Taxis noch immer größter privater Waldeigentümer. Die komplette Fürstenenteignung ist bedauerlicherweise in den 1920er Jahren an einem Volksentscheid gescheitert.

Durften die Arbeiter nicht abstimmen oder was?

Zwar stimmten die meisten dafür, doch war die Beteiligung zu gering. Offenbar haben die konservativen Parteien den Bauern und Kleinbürgern einreden können, wenn der Adel enteignet wird, könnte es bald auch sie erwischen.

Wenn es ein Namensteil ist - darf man den also gar nicht einfach so streichen?

Das ist Privatsache. Man kann auf diesen Namensbestandteil verzichten. Jutta Ditfurth lebt ohne »von«, der Grünen-Politiker Andreas von Bernstorff mit. Anscheinend ist der Titel auch in der bürgerlichen Gesellschaft hilfreich. Er zeigt die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe an, und die scheint sich als Seilschaft zu stützen.

Wie war das in DDR?

Die »vons« gab es als Namensbestandteil auch in der DDR. Wie weit die Grafen- oder Fürsten-Titel noch vorkamen, ist mir nicht geläufig. Manfred von Ardenne behielt zwar sein »von«, firmierte aber nicht als Baron. Ich glaube nicht, dass eine gesetzliche Regelung das Namensrecht aus der Weimarer Republik geändert hat. Die DDR hat die Leute allerdings enteignet, sofern sie Großgrundbesitz hatten, und insofern die 1918er Revolution weitergeführt.

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

- Anzeige -
- Anzeige -