Ohrfeige für den Weltverband

Chinas Schwimmstar wird in der Hammeraffäre zu achtjähriger Dopingsperre verurteilt.

Die Olympischen Sommerspiele in Tokio verlieren einen Star. Viele Schwimmfans wird das freuen - nur kaum jemanden in China. Sun Yang, einziger Schwimmer, der Olympiasieger über alle drei Freistilstrecken zwischen 200 und 1500 Meter werden konnte, wird am 28. Juli aller Voraussicht nach nicht die Möglichkeit bekommen, seinen 2016 in Rio de Janeiro gewonnenen Titel zu verteidigen. Am Freitagvormittag verkündete der Internationale Sportgerichtshof CAS in Lausanne, dass er Sun in der ominösen Hammeraffäre zu einer achtjährigen Dopingsperre verurteilt hat.

Es ist der vorläufige Höhepunkt eines juristischen Tauziehens, das sich seit September 2018 hinzieht. Damals hatte Sun unangekündigten Besuch von Dopingkontrolleuren in seinem Haus bekommen. Zunächst gab er Proben ab, ließ sie danach aber von einem Angestellten mit einem Hammer zerstören, bevor die Kontrolleure sie abtransportieren konnten. Sun argumentierte, dass zumindest einige der Kontrolleure sich nicht als solche hatten ausweisen können. Zudem seien ohne Erlaubnis Fotos gemacht worden. Daher habe er vermutet, dass es sich nicht um echte Kontrolleure handele und ließ nach einer Beratung durch seine Anwälte die Proben zerstören.

Der Schwimmweltverband FINA folgte später teils dieser Argumentation und sprach Sun Yang frei. Der juristische Winkelzug lautete in etwa so: Ohne gültigen Ausweis des Kontrolleurs, der die Blutproben nahm, seien diese keine offiziellen Dopingproben. Daher sei die Zerstörung der Behälter auch nicht als Verhinderung eines Dopingtests zu sehen.

Die Reaktionen im Sommer 2019 waren heftig. Viele Schwimmer, vor allem aus den USA, Australien, aber auch aus Deutschland, kritisierten die Entscheidung scharf. Die Doppelolympiasiegerin Cate Campbell aus Australien sagte dem »Sunday Telegraph«: »Es macht mich wütend. Auch zu mir kamen schon mal Kontrolleure um 5.30 Uhr am Sonntagmorgen. Ich stieg aus dem Bett und gab Urin und Blut ab. Ich mache das, weil ich an den sauberen Sport glaube. Der Gedanke, die Proben mit einem Hammer zu zerstören, ist mir dabei noch nie gekommen. Das wirft also sehr ernste Fragen auf.« Wenn jemand wie Sun so offen und dreist versuche, das System zu unterwandern, »lässt es mich das schon überlegen, warum ich mir das alles überhaupt antue«, so Campbell.

»Mit einem Hammer zerstört? Der Typ hat mir einen WM-Titel und meine dritte Olympiamedaille geklaut. Aber was soll’s. Das Leben geht ja weiter«, schrieb James Guy sarkastisch auf Twitter. Der Südafrikaner Chad le Clos, 2016 Zweiter über 200 Meter hinter Sun, ist auch nicht gut auf den Schwimmstar aus China zu sprechen. »So etwas trifft viele Leute, die viel opfern für ein paar Momente des Ruhms. Es geht nicht nur um mich. Es geht auch um Guy, der Vierter wurde, aber auch um den, der Neunter war, und dem ein Platz im Olympiafinale verwehrt wurde. Für manche ist das etwas sehr Bedeutendes«, sagte le Clos gegenüber AP. »Sun sollte gesperrt werden, und ich sollte die Goldmedaille bekommen. Auch wenn ich den Moment, bei Olympia mit Gold auf dem Siegerpodest zu stehen, längst verloren habe.«

Die Reaktionen waren so scharf, weil Sun ein Wiederholungstäter ist. Im Mai 2014 war er positiv auf das Stimulans Trimetazidin getestet worden, das erst seit Jahresbeginn auf der Dopingliste stand. Chinas Verband sperrte seinen Star jedoch nur für drei Monate und verkündete diese Entscheidung erst nach Ablauf der Suspendierung, weil Sun habe beweisen können, dass ihm sein Arzt das Medikament gegen Herzprobleme verschrieben habe und er daher nicht wissentlich dopte.

Damals wollte die Welt-Antidoping-Agentur (WADA) nicht gegen dieses milde Urteil vorgehen. Der Freispruch in der Hammeraffäre war der WADA dann aber doch zu viel. Sie klagte vor dem CAS, der Sun nun verurteilte. »Es war ein einstimmiges Urteil der drei Richter«, erläuterte Matthieu Reeb, Generalsekretär des CAS am Freitag in Lausanne. Sun habe jedoch noch die Möglichkeit, binnen 30 Tagen vor dem Schweizer Bundesgericht Einspruch einzulegen. Dies hat der 28-Jährige auch schon angekündigt. »Das ist unfair. Ich glaube ganz fest an meine Unschuld«, sagte der elfmalige Weltmeister der Nachrichtenagentur Xinhua: »Ich werde auf jeden Fall Einspruch einlegen, damit mehr Menschen die Wahrheit erfahren.«

Der CAS erkannte in einer ersten kurzen Begründung, dass zumindest der verantwortliche Kontrolleur alle Regeln für einen ordnungsgemäßen Dopingtest eingehalten hatte. Und selbst bei Zweifeln hätte Sun die Probe niemals zerstören dürfen. »Es ist eine Sache, die Akkreditierung von Testern zu hinterfragen. Aber es ist etwas ganz anderes, die Proben nach einer langen Diskussion und der Belehrung über die schwerwiegenden Folgen dennoch zu zerstören, und damit jede Chance zu eliminieren, diese Probe später in einem Labor zu analysieren«, heißt es in der CAS-Mitteilung. Da Sun 2014 bereits einmal verurteilt worden war, wurde nun die für Wiederholungstäter zulässige Acht-Jahres-Sperre ausgesprochen.

Seine zwei WM-Titel von Juli 2019 darf der Chinese aber behalten, da er weder davor noch danach positiv getestet worden war. Der Brite Duncan Scott, der über 200 Meter Bronze gewonnen hatte, und der Australier Mack Horton (Silber, 400 Meter) hatten sich damals geweigert, gemeinsam mit Sun aufs Siegerpodest zu steigen. Horton hatte Sun bei den Spielen 2016 in Rio noch knapp bezwingen können, und den Erfolg als »Sieg für die guten Jungs« bezeichnet. Sun und Horton wird seitdem eine tiefe Feindschaft nachgesagt. »Ich weiß nicht, ob es eine Rivalität zwischen mir und ihm ist«, sagte Horton dazu. »Ich denke eher: Es ist eine zwischen mir und allen, die je positiv getestet wurden.«

Für den Schwimmweltverband ist das CAS-Urteil vom Freitag eine schallende Ohrfeige. Nicht erst im Fall von Sun Yang haben Athleten dem Verband vorgeworfen, zu lasch im Antidopingkampf zu agieren oder die großen Stars aus wichtigen Nationen des Weltsports sogar aktiv zu schützen. Der deutsche Doppelweltmeister Florian Wellbrock reagierte jedenfalls zufrieden auf die Nachricht. »Es freut mich, dass endlich durchgegriffen wurde«, sagte der 22-jährige Magdeburger am Freitag dem SID. Bei Olympia hat er nun einen Kontrahenten weniger.

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