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Posen für 30 Prozent
Giffey und Saleh, die Kandidaten für den SPD-Landesvorsitz, besuchen Spandauer BMW-Werk
Der Ort hat Symbolcharakter. Am Montageband der Motorradfertigung von BMW in Spandau steht auf einem Leuchtschild der aktuelle Status: »Minus 2« hängen die Arbeiter hinter der »Soll-Stückzahl« zurück. Auf der daneben liegenden Fertigungsstrecke wird die aktuelle Produktion ausgewiesen. »Die sollen wissen, wo die andere Truppe ist«, sagt der Montageleiter des Motorradwerks. »Wenn Sie im Reaktionsmodus sind, haben Sie ein Problem – wenn Sie im Aktionsmodus sind, sind Sie vorn«, erklärt der Leiter des Werks Helmut Schramm am Freitag seinen Gästen, der Bundesfamilienministerin Franziska Giffey und dem SPD-Fraktionsvorsitzenden Raed Saleh.
Die Beschreibung der taktgenauen Montage lässt sich ganz gut auf den Ist-Zustand der Berliner SPD übertragen: Mit derzeit etwa 15 Prozent in den Umfragen liegen die Sozialdemokraten weit hinter dem eigenen Anspruch zurück. So hat das neue Spitzenkandidaten-Duo Giffey und Saleh, die am 16. Mai auf einem Landesparteitag gewählt werden wollen, bereits 30 Prozent als Wahlziel für die Abgeordnetenhauswahl 2021 ausgegeben. Auf diesem hohen Niveau war die SPD in Berlin das letzte Mal bei einer Umfrage Ende November 2015 gemessen worden – also in politischen Zeiteinheiten vor einer Ewigkeit.
Doch Giffey und Saleh schreckt das nicht ab. Nachdem der Regierende Bürgermeister und Noch-Landesvorsitzende Michael Müller Ende Januar seinen Verzicht auf eine erneute Kandidatur verkündet hatte, startet das SPD-Nachfolge-Duo jetzt inhaltlich durch. Mit dem Besuch in der Werkhalle mit seinen Virtual-Reality-Werkzeugen, mit denen Produktionsschritte vorab digital getestet werden können, ist eine Botschaft verknüpft. Sie lautet: »Die SPD ist die Partei der Arbeit, sie ist die Partei, die in dieser Stadt ein Partner für die Wirtschaft ist«, sagt Franziska Giffey. »Wir wollen eine starke Wirtschaft.« BMW sei ein Werk, das weltweit einzigartig ist und in dem die 2000 Beschäftigten für den Wohlstand der Stadt arbeiteten. Auf die Frage, ob sie denn die Kollektivierungspläne des Bundesvorsitzenden der Jusos teile, der im vergangenen Jahr in einem Interview auch BMW vergesellschaften wollte, verzieht Giffey das Gesicht. Sie sagt: »BMW ist ein Vorzeigewerk, solche Konzeptionen sind nicht Teil der Strategie, wie wir Berlin voranbringen wollen.«
Dass es den sozialdemokratischen Politikern aber nicht nur um ökonomische, sondern auch um soziale Fragen geht, dafür ist offenbar Saleh in dem Duo zuständig. »Wir müssen Wirtschaft und gute Arbeitsplätze zusammendenken«, betont er.
Der SPD-Fraktionschef hat hier in Spandau an diesem Freitag eine Art Heimspiel – sein Wahlkreis liegt im Bezirk, Saleh ist auch Kreisvorsitzender der örtlichen Sozialdemokraten. So entspannt wie an diesem Freitag lief es zuletzt allerdings nicht für den ambitionierten SPD-Politiker. Erst hatte ein Zeitungsbeitrag mit Salehs These nach der Ministerpräsidenten-Wahl in Thüringen, in dem er lediglich die Parteien links der Mitte als uneingeschränkt zum Grundgesetz und der Demokratie stehend verortete, auch in den eigenen Reihen für Unverständnis gesorgt. Dann kam noch ein verunglückter Auftritt Salehs in der Fernsehshow von Kurt Krömer dazu. Der SPD-Kreisvorsitzende Lars Rauchfuß forderte sogar weitere Diskussionen über den SPD-Landesvorsitz. Damit steht Rauchfuß aber bislang ziemlich alleine da.
»Wir sind hier nicht bei der Partnervermittlung«, sagt auch Giffey am Freitag zu der aktuellen Medienberichterstattung. Sie stehe zum gemeinsamen Angebot einer Kandidatur mit Saleh.
Dass mitten in der Kandidaturphase solche Personaldebatten aufgeworfen werden, sorgt unterdessen bei anderen SPD-Kreischefs für Kopfschütteln. »Wir haben uns auf Franziska Giffey eingelassen, wir wären doch bescheuert, wenn wir den von ihr ausgemachten Partner abschießen würden«, sagt Harald Georgii, der SPD-Kreischef von Friedrichshain-Kreuzberg.
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