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Rentenreform per Dekret
Französische Regierung stellt Opposition im Parlament über die Vertrauensfrage kalt
Sie wird nur selten genutzt, ist aber effektiv: Die Verfassungsklausel 49.3 erlaubt in Frankreich der Regierung, das Parlament zu umgehen. Exakt das hat die Regierung von Emmanuel Macron nun vor, um den anhaltenden Widerstand der linken Opposition in der Nationalversammlung gegen die Rentenreform zu brechen. Die Regierung verbindet über die Verfassungsklausel 49.3 die Abstimmung über die Rentenreform mit der Vertrauensfrage. Das hat Premierminister Edouard Philippe am Samstagnachmittag in der Nationalversammlung angekündigt.
Die Opposition hat auf das Manöver der Regierung bereits mit der Ankündigung von Misstrauensanträgen reagiert. Das gilt sowohl für die linke Bewegung La France insoumise, die Kommunisten und die Sozialisten als auch für die rechtsbürgerlichen Republikaner. Da aber die von Emmanuel Macron 2016 mit Blick auf die Präsidentschaftswahl gegründete Bewegung La République en marche in der Nationalversammlung über die absolute Mehrheit verfügt, kann an der Annahme des Gesetzes kein Zweifel bestehen. Die beiden Misstrauensanträge haben keine Chance. Sie sind aber Signale, dass der Widerstand gegen die Rentenreform weitergeht. Das bekundeten auch die mehreren Tausend Menschen, die am Samstagabend spontan in Paris vor der Nationalversammlung und in anderen großen Städten zu Protestdemonstrationen zusammenkamen. Die CGT und andere Gewerkschaften haben für die erste Märzwoche einen neuen Streik- und Aktionstag angekündigt.
Die Regierung hat sich entschlossen, zum äußersten Mittel zu greifen, weil ihr Zeitplan für das Reformgesetz zu scheitern drohte. Damit das Gesetz noch wie geplant vor der Sommerpause definitiv beschlossen werden kann, soll die erste Abstimmungsrunde in der Nationalversammlung vor der Kommunalwahl erfolgen, die für den 15. und 22. März angesetzt ist. Danach folgt die erste Runde der Debatte und Abstimmung im Senat, dann eine zweite Runde in beiden Kammern des Parlaments und schließlich noch eine Sitzung von Vertretern beider Kammern, um einen Kompromiss zu finden. Kommt dabei kein Kompromiss zustande, entscheidet in letzter Instanz die Nationalversammlung.
Der Zeitplan ist knapp bemessen. Die Debatte kam von Anfang an nicht voran, weil die Behandlung der 42 000 Abänderungsanträge, die fast alle von der Bewegung La France insoumise und der Kommunistischen Partei eingebracht wurden, extrem viel Zeit kostete. So versuchte die linke Opposition mit legalen Mitteln das Gesetz möglichst lange hinauszuzögern und eine ausführliche Debatte zu ermöglichen. Deshalb konnten innerhalb der ersten zwei Wochen lediglich sieben der 65 Artikel des Gesetzes behandelt werden.
Premier Edouard Philippe hat lange gezögert, ob er zur »Keule« des Artikels 49.3 der Verfassung greifen und die Abstimmung mit der Vertrauensfrage verbinden solle. Denn der Rückgriff auf diesen Ausnahmeparagrafen ist das Eingeständnis, dass das heute von 62 Prozent der Franzosen abgelehnte Rentenreformgesetz nur mit diesem fragwürdigen und wenig demokratischen Hebel gerettet werden kann.
Festgefahren ist auch die »Finanzierungskonferenz« der Sozialpartner, die seit Mitte Februar parallel zur Parlamentsdebatte Mittel zur finanziellen Absicherung des Rentensystems suchen soll. Deren Ergebnisse sollen Ende April noch in das Gesetz eingearbeitet werden, bevor es in die zweite Abstimmungsrunde geht.
Bereits am zweiten Sitzungstag hat die Gewerkschaft CGT den Verhandlungstisch verlassen, nachdem ein eigener Gegenentwurf, der vor allem eine Rückkehr zum Rentenalter von 60 Jahren vorsieht, von den anderen Konferenzparteien als indiskutabel abgewiesen wurde. Aber auch die reformistische Gewerkschaft CFDT, von der ursprünglich die Initiative für die Finanzierungskonferenz ausging, stellt jetzt Vorbedingungen. Sie will zunächst darüber reden, wie bei bestimmten Berufsgruppen die besonders schweren Arbeitsbedingungen zugunsten einer vorzeitigen Berentung berücksichtigt werden. Das sei unerlässlich, um die Rentenreform sozial gerechter und für die Mehrheit der Franzosen akzeptabel zu machen. Andernfalls würde die Rentenreform die sozialen Gegensätze im Land noch vertiefen. Dagegen geht es dem führenden Unternehmerverband Medef nur darum, eine Erhöhung der durch die Arbeitgeber zu zahlenden Rentenbeiträge abzuwenden. Darum setzt er sich energisch für das von der Regierung vorgeschlagene »Scharnier-Alter« von 64 Jahren für den Eintritt in die Rente ein. Das »Scharnier-Alter« sollte nach oben offen gehalten werden, falls künftig auch der Eintritt mit 64 Jahren nicht mehr für die Finanzierung der Renten ausreichen sollte. Der Regierung kommt die Medef-Position zupass. Und sie kann ein Scheitern der Konferenz abwarten, zumal die Regierung von vornherein erklärt hat, dass sie in diesem Fall zu dem von ihr favorisierten Prinzip des »Scharnier-Alters« zurückkehren wird.
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