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  • Wohnungspolitik in Berlin

Verkehrsplanung bremst Wohnungsbau

Berlins Stadtentwicklungssenatorin Katrin Lompscher (Linke) fordert Anerkennung der Priorität in allen Ressorts

  • Nicolas Šustr
  • Lesedauer: 5 Min.

Der Mietendeckel ist in Kraft getreten. Nun gibt es die Befürchtung, dass die Bezirke, die einen Großteil der Verwaltungsarbeit zu leisten haben, nicht rechtzeitig Strukturen dafür aufbauen. Noch nicht alle Bezirke haben die entsprechenden Stellenausschreibungen veröffentlicht. Teilen Sie die Sorge?
Die Bezirke werden ihren gesetzlichen Pflichten nachkommen und die Ressourcen schrittweise aufbauen. Unmittelbar nach Inkrafttreten ist der Informationsbedarf hoch, bis die neu geschaffenen Positionen besetzt sind, übernehmen deshalb Kolleginnen und Kollegen aus anderen Bereichen die Aufgaben. Dafür wurden sie in den vergangenen Tagen geschult. Wir haben Flyer und Merkblätter veröffentlicht, auch die Website wird intensiv abgefragt. Aktuell werden Ausführungsvorschriften vorbereitet, diesen Dienstag haben wir außerdem wieder eine Runde dazu mit den Bezirksstadträtinnen und Bezirksstadträten.

Die Charlottenburg-Wilmersdorfer Linksfraktion wirft dem zuständigen CDU-Stadtrat vor, die Umsetzung des Deckels zu blockieren, weil er ihn politisch ablehnt. Wird das Gesetz je nach politischer Färbung des Bezirksamtes mehr oder minder stark durchgesetzt werden?
Generell sind die Bezirke in Berlin verfassungsmäßig bei Umsetzungsvorhaben die zuständigen Behörden. Natürlich wird nicht nur verwaltungsseitig alles Notwendige veranlasst, beim Mietendeckel sind zusätzlich die IBB und die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen verantwortlich, um die Bezirke zu entlasten. Auch politisch wird genau geschaut werden, dass die Umsetzung überall im gleichen Maße erfolgt.

Katrin Lompscher
Mietendeckel und Wohnungsneubau sind für Stadtentwicklungssenatorin Katrin Lompscher (Linke) zwei Projekte, die einem Ziel dienen: dem Erhalt Berlins als Wohnort für Menschen aller Einkommensklassen. Zwischen Plan und Umsetzung liegt allerdings noch die Realität, die zahlreiche Hürden bereithält. Über Fortschritte und Probleme bei diesen Vorhaben sprach mit ihr nd-Redakteur Nicolas Šustr.

Der Mietendeckel soll eine Atempause sein, bis ausreichend Neubauwohnungen fertiggestellt sind. Die im Koalitionsvertrag verabredete Zielzahl von 30 000 neuen landeseigenen Wohnungen bis 2021 wird aber nicht zu schaffen sein.
Bis Ende 2021 werden die Landeseigenen 35 000 Wohnungen fertiggestellt beziehungsweise im Bau haben. Das ist vor dem Hintergrund des kommunalen Bauvolumens in den letzten Jahren enorm viel. Es ist klar, dass man so eine Maschine erst mal zum Laufen bringen muss. Wir hatten im letzten Jahr rund 4500 Fertigstellungen – dreimal so viel wie im Jahr 2016. Die kommunalen Gesellschaften bauen somit auch prozentual gesehen mehr, als es ihrem Anteil am Gesamtbestand entspricht. Beim kommunalen Wohnungsbau sorgen wir zudem dafür, dass sich die Projekt-Pipeline füllt. Inzwischen ist sie auf über 60 000 Wohnungen angewachsen. Damit ist zum Zeitpunkt absehbar, dass die Roadmap 2026 erfüllt werden kann. Daneben bleibt es eine zentrale Aufgabe von Senat und Bezirken, Planungs- und Genehmigungsprozesse zügig voranzutreiben.

Gut, aber mangelnde Baukapazitäten sind ein großer Hemmschuh. Ist da Entspannung in Sicht?
Wir sehen eine Tendenz in die richtige Richtung. Alle Beteiligten arbeiten daran, dass sich Bedarf und Nachfrage bei Baukapazitäten weiter annähern. Seit Beginn dieser Koalition wird von dem »Jahrzehnt der Investitionen« gesprochen, im Wohnungsbau sind das jährlich 750 Millionen Euro. Weil der Mietendeckel den Neubau explizit ausschließt, gehen wir davon aus, dass sich Investitionsströme ändern und sich die Bauwirtschaft darauf einstellt. Darüber reden wir sehr intensiv und es gibt auch deutliche Signale, dass es verstanden wird.

In den neuen Stadtquartieren soll ein Teil des Wohnungsbaus entstehen. Im Leitbild dazu heißt es, dass diese eine gute Anbindung an den Nahverkehr haben sollen. Für nicht mal die Hälfte der 16 Quartiere trifft das derzeit zu. In Spandau ist Busfahren ja jetzt schon ein Horror, obwohl noch Tausende neue Wohnungen gebaut werden sollen.
Man kann nicht pauschal von einer schlechten Anbindung der Quartiere sprechen, in einigen geht es vielmehr darum, den Betrieb der BVG zu optimieren und zu verstärken. Zum Teil auch als Übergangslösung, bis wir verkehrsstärkere Verkehrsmittel dort hinbringen – also Stichwort Straßenbahnverlängerungen und die Wiederinbetriebnahme der Siemensbahn. Das ist zum Beispiel in Spandau das Hauptthema. Trotzdem ist klar: Wir können den zusätzlichen Wohnraum nicht voraussetzungsfrei schaffen. Soziale und Verkehrsinfrastruktur müssen im gleichen Tempo mitwachsen.

Noch stärker wächst der Nordosten, nicht nur mit dem geplanten Stadtquartier Blankenburger Süden.
Dort müssen wir sowohl das Straßenverkehrssystem ertüchtigen als auch zusätzliche ÖPNV-Infrastruktur bauen. Das Straßennetz stammt de facto noch aus dem frühen 20. Jahrhundert und kann, freundlich formuliert, schon das bisherige Verkehrsaufkommen nur unzureichend aufnehmen. Für den Blankenburger Süden ist die Anbindung auf dem Papier geklärt. Das ist aber noch keine Lösung für den Nordostraum insgesamt. Sie ist aber die Voraussetzung, um die nötige Akzeptanz vor Ort für zusätzlichen Wohnungsbau zu bekommen.

Eine große Überraschung war 2019 die Nachricht, dass der Bau von 1200 Wohnungen an der Michelangelostraße in Prenzlauer Berg erst in den 2030er Jahren beginnen soll.
Da brauchen wir nicht nur die Klärung eines Trassenverlaufs, sondern insbesondere die des Flächenbedarfs. Dann könnte man dort sehr schnell anfangen zu bauen, denn die geplante Straßenbahnverbindung ist eine Vorhaltung für die Zukunft.

Was passiert, damit alle Senatsverwaltungen rechtzeitig ihren Beitrag für den Wohnungsbau leisten?
Wir haben eine Task Force »Stadtquartiere – Entwicklungsräume« eingerichtet, die dem Ziel dient, koordiniert und vorsorgend zu planen. Wenn wir Wohnungen errichten, brauchen wir Kitas, Schulen und die verkehrliche Erschließung. Das sind die Grundvoraussetzungen für die Entwicklung größerer Wohnungsbaustandorte. Für den Stadtraum Nordost, Nordwest, Südost und die innere Stadt werden nacheinander entsprechende Struktur- und Handlungskonzepte aufgestellt und schrittweise umgesetzt.

Ist es für den Wohnungsbau ein Problem, dass der Stadtentwicklungsplan Mobilität und Verkehr immer noch nicht vorliegt?
Die ursprüngliche Absicht der Koalition, alle Stadtentwicklungspläne zeitgleich zu verabschieden, ist nicht aufgegangen. Es ist aber unerlässlich, dass wir beim Thema »Stadt weiterbauen« als Senat sicherstellen, dass wir die notwendigen Voraussetzungen schaffen und die gleichen Prioritäten setzen. Wir müssen dafür sorgen, dass die geplanten Wohnbauquartiere auch hinsichtlich ihrer Erschließung prioritär behandelt werden.

Kann das planerische Defizit absehbar überhaupt aufgeholt werden?
Generell ist zu konstatieren, dass Berlin auf das Wachstum der Stadt unzureichend vorbereitet war. Es ist ein Dilemma, aber eben auch eine Tatsache, dass formelle Verkehrsplanungen länger dauern als Bauplanungen.

Es gibt grundsätzliche Kritik an den neuen Stadtquartieren wegen der hohen Kosten für neue Infrastruktur. Lieber sollte der Fokus auf mehr Nachverdichtung gelegt werden, sagen einige. Was entgegnen Sie den Kritikern?
Kurz und bündig: Wir brauchen beides. Der Großteil des zusätzlichen Wohnungsbaupotenzials befindet sich aber in vorhandenen Strukturen.

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