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Ein bisschen mehr Netanjahu
Regierungschef siegt über Herausforderer Benny Gantz von der Liste Blau-Weiß
Nach der dritten Parlamentswahl innerhalb von nur einem Jahr steht Israel erneut vor einer sehr schwierigen Regierungsbildung. Denn wie schon bei den vorangegangenen beiden Wahlen schaffte es weder das Lager aus rechten und religiösen Parteien unter Führung des seit 2009 amtierenden Regierungschefs Benjamin Netanjahu, die erforderliche Mehrheit von 61 Sitzen zu erringen, noch die Gruppe der linken, zentristischen und arabischen Parteien, die den Chef der Blau-Weiß-Liste, Benny Gantz, zum Premierminister machen möchte.
Zwar legte Netanjahus Likud nun auf 36 Sitze zu, während Blau-Weiß auf 32 Mandate abrutschte. Doch die Verschiebungen fanden vor allem innerhalb der beiden Lager statt: Die Wahlbeteiligung war so hoch wie seit 21 Jahren nicht mehr. Hauptbeteiligte waren dabei die Israelis arabischer Herkunft, die sich dieses Mal trotz Corona-Krise in großer Zahl auf den Weg in die Wahllokale begaben und die Vereinigte Liste der arabischen Parteien erneut zur drittstärksten Kraft machten. Allerdings mit erheblichen Stimmen- und Mandatszuwächsen: Auf knapp unter 16 Prozent, fünf mehr als bei der Wahl im September und so viel wie nie zuvor, kommen die arabischen Parteien, unter denen die von Ayman Odeh geführte linke Chadasch hervorsticht.
In Tel Aviv und Haifa stimmten jeweils an die vier Prozent der Wähler in überwiegend jüdischen Stadtteilen für die Vereinigte Liste; ein persönlicher Erfolg für den gelernten Anwalt Odeh, der für ein Miteinander der vielen kleinen und großen Bevölkerungsgruppen eintritt, die zusammen Israel bilden. Gleichzeitig ist im arabischen Bevölkerungsteil die Bereitschaft gewachsen, an den politischen Prozessen teilzunehmen: Boykottierte man jahrelang Wahlen, fordert man nun von den eigenen Politikern, zur Verbesserung der Lebensbedingungen beizutragen; selbst einer Regierungsbeteiligung der Vereinigten Liste würden Umfragen zufolge mehr als 80 Prozent der arabischen Wähler mittlerweile zustimmen.
In den kommenden Tagen wird nun Präsident Re’uven Rivlin einen Abgeordneten mit der Regierungsbildung beauftragen; Netanjahu hat, als Spitzenkandidat der größten Fraktion, bereits den Anspruch darauf angemeldet. Doch in zwei Wochen wird der Korruptionsprozess gegen ihn beginnen, und bislang hatten alle Parteien außerhalb des rechts-religiösen Lagers eine Beteiligung unter seiner Führung ausgeschlossen. Netanjahu möge Platz für einen anderen Kandidaten aus seiner Partei machen, hieß es.
Um nach fast einem Jahr als amtierender Regierungschef mit eingeschränkten Befugnissen erneut das Amt antreten zu können, müssten also mindestens zwei Abgeordnete aus dem anderem Lager zur Rechten überlaufen - oder gleich eine ganze Partei ihr Wahlversprechen brechen.
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