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Ein Schrei aus tausenden Kehlen
Demonstration und Aktionen zum 8. März in Berlin und an anderen Orten
Um 16 Uhr dringt ein Schrei durch die Stadt, ein Aufschrei aus tausenden Kehlen. «Es geht darum, ungehemmt die Wut rauszuschreien», erklärt Michelle, Aktivistin des Bündnisses Frauen*kampftag, das am Sonntag zur Demonstration in Berlin aufgerufen hat. Unter dem Hashtag globalscream verbindet der gemeinsame Schrei dabei die weltweiten feministischen Demonstrationen und Aktionen zum Internationalen Frauen*kampftag.
In Berlin hatte das Bündnis rund 20 000 Teilnehmenden angekündigt, die ab 14 Uhr vom Leopoldplatz aus zur Abschlusskundgebung am Alexanderplatz zogen. «Wir wollen mit der Demo einen Raum für die Vielfalt der feministischen Kämpfe schaffen und sie auf der Straße vereinigen», erklärte Friederike Benda, die das Bündnis im Jahr 2013 mit initiiert hat.
Unter dem Motto «Feiern, Streiken, Weiterkämpfen» findet die Demo in Berlin nun im zweiten Jahr an einem Feiertag statt. «Das Feierelement rückt aber gerade in diesem Jahr in den Hintergrund», betont Benda. In Zeiten von rechtem Terror, rassistischer Migrationspolitik und zunehmender Gewalt gegen Frauen*, Transmenschen und People of Color sei die Demo kein jährliches «Happening, sondern ein notwendiger Kampf gegen den Rechtsruck und Nationalismus, der Antifeminismus, Antisemitismus und Rassismus zugleich befeuere. »Auch als feministische Bewegung müssen wir innehalten, zuhören und uns immer wieder klar positionieren.« Zur Abschlusskundgebung am Alexanderplatz sollten unter anderen Vertreterinnen der Berliner Sinti und Roma im Landesbeirat für Migration, des Tribunals »NSU Komplex auflösen« und des Dachverbands der Migrantenorganisationen sprechen. Die Demonstration diene auch dazu, engere feministische Netzwerke zu knüpfen und die Handlungsfähigkeit zu erhöhen.
»Die Errungenschaften aller Feministinnen ehren wir am besten, in dem wir ihre Kämpfe weiterführen«, ergänzen zwei Aktivist*innen des Bündnisses.
Die die zahlreichen Blöcke der Demonstration spiegeln die Vielfalt der feministischen Anliegen. So rückt die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) die Kritik an der negativen Auswirkung der unbezahlten, vor allem von Frauen verrichteten Haus- und Sorgearbeit in den Mittelpunkt ihres feministischen Arbeitskampfes. »Heute ist Sonntag. Trotzdem streiken wir. Auch an Feiertagen leisten Frauen Arbeit, für die es kaum bis keinen Lohn, wenig Rentenpunkte, keinen Überstundenausgleich und schon gar keine Bonuszahlungen gibt«, erklärte die Lehrerin Anne Albers von der GEW-Bezirksleitung Neukölln. »Weltweit leisten Frauen pro Jahr über zwölf Milliarden Stunden dieser unbezahlten Haus- und Sorgearbeit, die endlich fair in unsere Erwerbsarbeit, Karriereverläufe und Rentenansprüche eingepreist werden muss. Wir fordern eine neue Diskussion über das Normalarbeitsverhältnis.«
Auch das Bündnis für sexuelle Selbstbestimmung (BfsS) und das Kollektiv Stimmrecht gegen Unrecht (SGU) sind mit einem gemeinsamen Block vertreten. »Sexuelle Selbstbestimmung ist ein Menschenrecht, aber in Deutschland und vielen anderen Staaten auch 2020 noch nicht gewährleistet«, sagt Silke Stöckle, Sprecherin des BfsS.
»Daran ändert auch der bevormundende Kompromiss um Paragraf 219a nichts, der weder die Interessen von Personen mit Uterus noch von Ärzt*innen vertritt. Stattdessen ist er ein Sinnbild dafür, wie Personen mit Uterus systematisch die Selbstbestimmung durch den Staat abgesprochen wird, um sie in repressiven Rollenbildern zu halten«, ergänzt Leoni Vollmar vom Kollektiv SGU. Die Bündnisse treten für einen selbstbestimmten Lebensentwurf von Frauen, trans und nicht-binären Personen ein, der Sexualität und Familiengestaltung mit einschließt. Dazu gehöre auch die Auflösung des binären Geschlechterverständnisses, die Entstigmatisierung von Sexualität im Alter oder von Menschen mit Beeinträchtigungen und von Asexualität.
Auch nach dem Schrei bleibt die Demonstration in Berlin laut, immer wieder tönen Trommeln und Sprechchöre aus der Masse hervor. »Was mich so richtig wütend macht, ist, wie viel sich Männer heute noch erlauben können«, sagt Alena, auf deren selbstgemalten Plakat ein Uterus den Mittelfinger zeigt. »Männer in offiziellen Ämtern können Frauen öffentlich beleidigen, belästigen oder mit Gesetzen über ihren Körper entscheiden - und bleiben in ihren Positionen.« Ihre Freundin Marie nickt. »Noch schlimmer finde ich die ganzen Femizide. Alle drei Tage tötet ein Mann in Deutschland seine Partnerin oder Ex. Das macht mich nicht nur wütend, das macht mir richtig Angst.« Dann hakt sie sich bei Alena unter. Gemeinsam verschwinden die beiden im Gewimmel.
Bundesweit hatte es am Sonntag Aktionen von Aktivist*innen gegeben, die zum Teil sowohl im Bündnis Frauen*kampftag wie auch im Frauen*streik-Netzwerken mitwirken.
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