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Corona-Angst vor Obdachlosen

Während Panik feindliche Züge annimmt, spricht die Gesundheitssenatorin von ernster Lage

  • Claudia Krieg und Martin Kröger
  • Lesedauer: 3 Min.

Der Stadtrat ist wütend. »Die neue Situation wird als erstes genutzt, um einen Anlass zu schaffen, die obdachlosen Menschen zu thematisieren!«, empört sich Knut Mildner-Spindler, stellvertretender Bezirksbürgermeister von Friedrichshain-Kreuzberg am Montag gegenüber »nd«. Der Anlass: Bianka Schäfer vom Management des Ring-Centers am S-Bahnhof Frankfurter Tor hatte den Linke-Politiker sowie zuständige Lichtenberger Bezirkspolitiker*innen per E-Mail angeschrieben, um sich für den Fall auszutauschen, dass das »hochfrequentierte Center« - Schäfer spricht von 20 000 Besucher*innen am Tag - vom neuartigen Coronavirus betroffen sein sollte. Es gebe in diesem Zusammenhang, so Schäfer auch gegenüber »nd«, verstärkt Nachfragen, ob das Centermanagement in der Lage sei, entsprechend verstärkte Reinigungsmaßnahmen durchzuführen, die besonders die Verschmutzungen durch obdachlose Menschen betreffen, die sich bei schlechtem Wetter in Teilen des Centers aufhalten.

Schäfer geht in ihrer E-Mail davon aus, dass die Leute vom »angrenzenden Obdachlosenzelt« kommen. Gemeint ist die hinter dem Ring-Center gelegene Traglufthalle der Stadtmission (»HalleLuja«), die als Notunterkunft dient. Sie wolle niemanden ausgrenzen, betont Schäfer, aber sei dafür verantwortlich, dass das Center seine »Versorgungsaufgabe« erfüllen könne. »Es ist nicht meine Aufgabe, hier eine Suppenküche einzurichten«, reagiert Schäfer scharf auf den Vorwurf Mildner-Spindlers, dass sie nicht zu wissen scheine, dass gerade die »HalleLuja« es obdachlosen Menschen ermögliche, sich zu waschen, frisch gewaschene Kleidung zu erhalten und vor allem Mitarbeiter*innen der Stadtmission ein Auge darauf hätten, ob es hier jemandem gesundheitlich schlechter gehe. Obdachlose, so Mildner-Spindler spitz, reisten zudem selten in den Skiurlaub nach Südtirol.

Coronavirus-Untersuchungsstellen

Neu eingerichtete Untersuchungsstellen für das Coronavirus haben am Montag in Berlin die Arbeit aufgenommen. Alle Stellen laufen getrennt vom jeweiligen Klinikbetrieb. Bis auf die Spandauer Einrichtung haben alle Ambulanzen auch am Wochenende geöffnet.

Zwei neue Einrichtungen des landeseigenen Klinikkonzerns Vivantes befinden sich in einem separaten Gebäude am Wenckebach-Klinikum in Tempelhof und in Räumlichkeiten des ehemaligen Klinikstandorts Prenzlauer Berg in der Fröbelstraße (geöffnet von 10 bis 17 Uhr). Die bereits tätige Charité-Untersuchungsstelle ist am Campus Virchow-Klinikum, Mittelallee 1. Sie ist täglich von 8 bis 16 Uhr besetzt.

Auch am Evangelischen Krankenhaus Königin Elisabeth Herzberge in Lichtenberg öffnete am Montag eine Abklärungsstelle an der Herzbergstraße 79 (geöffnet 10 bis 19 Uhr, am Wochenende 10 bis 17 Uhr). Am Gemeinschaftskrankenhaus Havelhöhe in Spandau hat ebenfalls eine Ambulanz die Arbeit aufgenommen. Sie befindet sich im Haus 16, am Kladower Damm 221 und hat von 9 bis 20 Uhr geöffnet.

Menschen, die fürchten, sich infiziert zu haben, rufen bitte die Hotline der Gesundheitsverwaltung (030-90 28 28 28) an (8 Uhr bis 20 Uhr). clk

Die Leiterin der Notunterkunft, Sabrina Bieligk von der Berliner Stadtmission sagt, sie habe noch nichts von Beschwerden gehört. In der Traglufthalle wird sehr ausführlich und deutlich über den Coronavirus informiert. Die Mitarbeiterin einer Parfümerie im Center gibt gegenüber »nd« zu, dass sie und Kund*innen sich von Obdachlosen gestört fühlen. Diese würden »stinken« und Plätze belegen, die für Kundschaft gedacht seien. »Aber das hat nichts mit Corona zu tun. Anstecken kann sich jeder«, sagt sie. Sie habe nur um »kurze Kommunikationswege« gebeten, sagt Bianka Schäfer zu dieser Zeitung.

Die Lage bei der Ausbreitung des Coronavirus sei hoch dynamisch, sagte unterdessen Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci (SPD) am Montag im Gesundheitsausschuss des Abgeordnetenhauses. Die Zahl schwer erkrankter Patient*innen werde vermutlich steigen. Generell schätze man die Lage als ernst ein. Die Krankenhäuser seien dabei, mehr Kapazitäten für die Beatmung schwer erkrankter Patienten zu schaffen, so die SPD-Politikerin. Sie empfahl, das öffentliche und soziale Leben etwas zurückzunehmen. Kranke sollten zum Schutz anderer Menschen zu Hause bleiben. Man wolle weiter die Strategie der Eindämmung verfolgen, sagte Kalayci.

Berlin sei zudem früh in eine zweite Phase gegangen und habe schutzbedürftige Gruppen in den Blick genommen. So wurde chronisch Kranken und älteren Menschen eine Impfung gegen Pneumokokken und Keuchhusten empfohlen. Sie hoffe, dass dies von Hausärzten flächendeckend umgesetzt werde, so die Gesundheitssenatorin.

Geklärt sei der Bedarf von Schutzmaterialien für den fahrenden Service der Kassenärztlichen Vereinigung, die Feuerwehr sowie die Untersuchungsstellen, erläuterte Kalayci. Für die Ausstattung niedergelassener Ärzte sei der Senat allerdings nicht zuständig, betonte die SPD-Politikerin.

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