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Zur Not eben ohne Fans
Die Fußballbundesliga wird trotz Coronavirus weitergehen. Ob die Ränge leer bleiben müssen, ist noch unklar
Seit zwei Wochen stimmt sich Nationalmannschaftsarzt Tim Meyer jeden Werktag wegen des Coronavirus mit Kollegen ab. Anfänglich ging es für den Medizinprofessor und seine Kollegen nur um Auslandsreisen der DFB-Mannschaften und -Mitarbeiter.
Doch inzwischen hat das neuartige Virus den deutschen Fußball richtig getroffen. Nachdem Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) empfahl, Veranstaltungen mit mehr als 1000 Zuschauern vorsorglich abzusagen, um die Ansteckung einzudämmen, sind alle Spiele von der ersten bis hinab zu einzelnen Partien der Regionalliga betroffen. Es drohen Geisterspiele, also Duelle ohne Zuschauer.
Am Montagmorgen entschied die Polizeipräfektur von Paris, das Achtelfinalrückspiel in der Champions League gegen Borussia Dortmund im Prinzenparkstadion wegen der von einem Krisenstab beschlossenen Maßnahmen vor leeren Rängen stattfinden zu lassen. Die Stadt Leipzig handelte nach Absprache mit dem dortigen Klub konträr: RB Leipzig darf gegen Tottenham Hotspur in einer mit mehr als 40 000 Menschen besetzten Arena antreten. »Diese Entscheidung gilt nur für dieses eine Spiel«, sagte Stadtsprecher Matthias Hasberg. Am Dienstag will die Stadt Mönchengladbach für das Bundesliga-Nachholspiel Borussia Mönchengladbach gegen 1. FC Köln entscheiden, ob der Absage nach einer Sturmwarnung nun eine weitere wegen des Coronavirus folgt.
»Ich finde es konsequent inkonsequent, was wir gerade tun«, schimpfte Kölns Manager Horst Heldt am Montag ob der unterschiedlichen Vorgehensweise. Er wünschte sich mehr Klarheit und Transparenz.
An vielen Stellen grassieren Hektik und Verunsicherung. Besonders betroffen ist Nordrhein-Westfalen, wo mit Dortmund, Leverkusen, Gladbach, Schalke, Köln, Düsseldorf und Paderborn die meisten Bundesliga-Standorte zu finden sind. Gut möglich, dass das Revierderby zwischen Dortmund und Schalke am Samstag ohne Kulisse ausgetragen werden muss. Spahn empfahl der Deutschen Fußball Liga (DFL) eine »einheitliche Vorgehensweise«. Das letzte Wort haben aber die lokalen Behörden.
Die Liga-Organisation geht seit Tagen die Szenarien durch. Eine komplette Absage des Spieltags am Wochenende sei illusorisch, sagte Geschäftsführer Christian Seifert am Montag. »Da gibt es Verträge, sportliche Konsequenzen. Abstiege und Aufstiege.« Sie hätten »entschieden, dass der Spieltag stattfindet, rein sportlich. Mit wie vielen Zuschauern, das ist eine Entscheidung, die die Behörden treffen«, fügte er an.
Es stehe außer Frage, teilte die DFL am Sonntag mit, »dass die Saison wie vorgesehen bis Mitte Mai zu Ende gespielt werden muss«. Der Ball muss rollen. Notfalls vor leeren Rängen. Das hat vor allem drei Gründe.
Zum einen haben alle Verbände den Terminkalender so ausgepresst, dass Verlegungen gerade für die auf mehreren Hochzeiten tanzenden Teams quasi unmöglich sind. »Wir gehen im Moment davon aus, dass wir im Spielplan mit DFB-Pokal-Finale, Champions-League-Endspiel und Europameisterschaft keine Luft haben«, sagt DFL-Direktor Ansgar Schwenken.
Maßgabe sei, das ergab eine Abstimmung innerhalb des Präsidiums, die Saison in erster und zweiter Liga am 16./17. Mai zum Ende zu bringen. Ein allerletzter Puffer böte - sofern sich das Virus im Sommer abschwächt - eine Verlegung des DFB-Pokalfinals an, um am 23. Mai einen zusätzlichen Spieltermin zu gewinnen. Dann müssten sich DFL und DFB darauf verständigen, das Endspiel erst in der kommenden Saison auszutragen. Aber nur wenn es Bayern München und Leverkusen ins Finale schaffen und sich beide Klubs bis dahin international qualifiziert haben.
Auch wirtschaftliche Interessen spielen hinein: Ein Spieltag in der Bundesliga, das hat Seifert jüngst vorgerechnet, ist rund 30 Millionen Euro wert. Annähernd 900 Millionen Euro bezahlt pro Saison der Pay-TV-Sender Sky, vor allem für die Live-Rechte. Zuschauer in den Stadien sind eher verzichtbar, wie der jüngste DFL-Wirtschaftsreport belegt. Von den 4,02 Milliarden Euro Umsatz in der Bundesliga kamen 1,483 Milliarden (37 Prozent) aus der medialen Verwertung aller Wettbewerbe, aber nur 520 Millionen (13 Prozent) aus dem Spielbetrieb.
Dritter Grund, dass die Klubs notfalls ohne Zuschauer kicken, ist die juristische Unsicherheit. Sollte die Saison abgebrochen werden, kann nicht einfach der zum Meister gekürt werden, der nach 30 Spieltagen vorne steht. Schwenken: »Das sieht die Spielordnung nicht vor. Wir müssten dafür neue Beschlüsse fassen.« Noch ist solch ein Fall hypothetisch, aber niemand kann sagen, was passiert, wenn die ersten Spieler erkranken.
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