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Der Bleibt-besser-daheim-Appell
Corona-Verdacht in Neustadt (Dosse) - die Vorsorgemaßnahmen betreffen 2250 Personen
»Die Prinz-von-Homburg-Schule in Neustadt (Dosse) einschließlich des Grundschulteils, der Hort sowie die Außenstelle Neustadt der Förderschule des Landkreises Ostprignitz-Ruppin bleiben vorsorglich bis einschließlich 17. März 2020 geschlossen«, heißt es in einer am Dienstag veröffentlichten Mitteilung des Gesundheitsamtes des Kreises. »Gleiches gilt auch für die Reitinternate Mühle Spiegelberg und Schloss Spiegelberg.« Darauf habe man sich mit dem Staatlichen Schulamt und dem Amt Neustadt (Dosse) verständigt.
Es ist eine nicht nur für das Land Brandenburg außergewöhnliche Maß᠆nahme, mit der das Gesundheitsamt gegen die drohende Gefahr der Ausbreitung des Coronavirus in der Kleinstadt vorgeht. An den betroffenen Personenkreis, darunter rund 730 aus dem gesamten Bundesgebiet stammende Schüler sowie Lehrer und Mitarbeiter, habe man appelliert, im fraglichen Zeitraum zu Hause zu bleiben. »Dieser Aufruf zu einer Art häuslichen ›Vorsorge-Quarantäne‹ richtet sich auch an alle im jeweiligen Haushalt lebenden Personen«, heißt es.
Insgesamt betreffe der Aufruf schätzungsweise 2250 Personen in mehreren brandenburgischen Landkreisen und auch in anderen Bundesländern, erklärte Kreissprecher Alexander von Uleniecki dem »nd«. Man stehe dazu im Kontakt mit den jeweiligen Gesundheitsämtern und natürlich auch mit dem Gesundheitsministerium in Potsdam.
»Wir nehmen die Situation in Neustadt sehr ernst«, stellte der Sprecher klar. Es handle sich aber nicht um eine Art Ausnahmezustand, die Stadt sei auch nicht abgeriegelt. Medienberichte vom Vortag, in denen fälschlich von »5000 Menschen unter Quarantäne« die Rede war, hätten großes Presseinteresse ausgelöst. Selbst das tsche᠆chische Staatsfernsehen habe angefragt. Doch die Betroffenen seien ja nicht krank, man habe sie vor allem aufgefordert, möglichst Abstand zu Menschenansammlungen zu halten und Supermärkte zu meiden.
Anders sei die Situation bei 19 Personen, die sich nach Aufforderung durch das Gesundheitsamt derzeit in häuslicher Isolation befinden, so der Sprecher. Dabei handelt es sich um Teilnehmer einer Beratung in Neustadt, darunter drei Mitarbeiter des örtlichen Haupt- und Landgestüts sowie einige Lehrer der Prinz-von-Homburg-Schule, die dort in Kontakt zu einer positiv auf das Coronavirus getesteten Teilnehmerin aus Berlin gekommen sind. Bei Redaktionsschluss standen die Ergebnisse der durchgeführten Tests noch aus.
Angesichts der in Neustadt (Dosse) ergriffenen Vorsichtsmaßnahmen hat der Landrat von Ostprignitz-Ruppin, Ralf Reinhardt (SPD), zu Ruhe und Besonnenheit aufgerufen. Die Maßnahmen dienten allein der Vorsorge, sagte er der Nachrichtenagentur dpa.
In der knapp 3500 Einwohner zählenden Stadt weisen Aushänge auf Maßnahmen und Einschränkungen hin. Das Amt Neustadt (Dosse) informiert auf seiner Webseite, dass vorsorglich auch die Amtsverwaltung und die Bibliothek bis zum 17. März geschlossen bleiben. Die bekannteste Einrichtung am Ort, das Brandenburgische Haupt- und Landesgestüt, ist nicht unmittelbar betroffen. Geschäftsführerin Regine Ebert sagte dem »nd«: »Unsere Mitarbeiter kümmern sich auch um die Pferde der betroffenen Spezialklassen.« Dabei müsse man derzeit auf die Mitarbeit von Eltern und Schülern der geschlossenen Schulen verzichten. Laut Kreissprecher von Uleniecki werde man sich mit Defiziten in der bisherigen Informationskette befassen müssen. Die fragliche Sitzung des Pferdesportverbandes Berlin-Brandenburg, bei der es möglicherweise zur Übertragung des Coronavirus gekommen ist, fand bereits am 2. März statt - daraus ergibt sich der 17. März als Ende der Inkubationszeit. Bedenklich sei vor allem, dass das Gesundheitsamt erst fünf Tage nach dem Treffen informiert wurde, so der Sprecher. Daher habe man die unmittelbaren Kontaktpersonen erst relativ spät auffordern können, sich in häusliche Isolation zu begeben und einer Testung zu unterziehen.
Bei der Hüffermann Transportsysteme GmbH in Neustadt (Dosse) wurde am Dienstag gearbeitet. Es fehlten allerdings 30 Mitarbeiter, die zu Hause blieben.
Im Land Brandenburg sind bis Dienstagabend elf Corona-Infektionen bekannt geworden. Es handelt sich um drei Fälle aus Elbe-Elster, jeweils zwei aus Spree-Neiße und aus dem Havelland sowie je einen aus Teltow-Fläming, Oberspreewald-Lausitz, Oberhavel und Frankfurt (Oder).
Aufgrund der Corona-Krise rechnet die Landtagsfraktion der Linkspartei mit Mehrausgaben von rund 50 Millionen Euro allein für das Land Brandenburg. Es können mehr oder weniger sein, sagte Fraktionschef Sebastian Walter am Dienstag. »Wir stehen erst am Beginn.« Er forderte die rot-schwarz-grüne Regierung auf, genügend Mittel für den absehbar entstehenden Schaden vor allem bei kleinen und mittleren Unternehmen sowie Selbstständigen bereitzustellen. Lohnfortzahlungen aufgrund von seuchenbedingten Ausfällen seien sechs Wochen lang Sache des Staates. Sportvereine oder Kultureinrichtungen, die Einnahmeausfälle haben, müssten entschädigt werden. Man frage sich, so Walter, wie es sein könne, dass Krankenhäuser Mangel an Desinfektionsmitteln leiden, während diese bei der Handelskette Aldi im Sonderangebot verkauft werden. Es gelte, Panik beziehungsweise ein Chaos zu verhindern, sagte Walter. Als äußerst problematisch empfindet er, dass die Tafeln, die Bedürftige mit Lebensmitteln versorgen, über Nachschubprobleme klagen.
Von den Tafeln werden gegenwärtig weniger Lebensmittel eingesammelt als sonst, hatte Vorstandsmitglied Sabine Werth erklärt. Das hätten die Tafeln in Potsdam und Schwedt bestätigt, auch von Berlin sei dies bekannt. »Es fehlen Obst und Gemüse, da auch hier Hamsterkäufe getätigt werden«, sagte Werth der dpa.
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