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»Jetzt sterben die Menschen allein«

Früher konnte die Ärztin im italienischen Piacenza Schwerkranke trösten. Das ist nun vorbei.

  • Anna Maldini
  • Lesedauer: 3 Min.

»Wissen Sie, was am Schlimmsten ist?«, fragt mich die junge Ärztin, die in einem Krankenhaus in Piacenza, mitten in der »roten Zone« in Norditalien arbeitet. »Für mich ist das Schlimmste, dass die Menschen jetzt alleine sterben.«

Die Onkologin, die anonym bleiben möchte, behandelt normalerweise Krebspatienten, aber ihre Station wurde in eine Isolierstation verwandelt, in der nur Menschen untergebracht sind, die positiv auf das Coronavirus getestet wurden. »Darunter sind natürlich auch Krebskranke. Früher konnte ich sie trösten, sie auch mal streicheln - aber das ist jetzt vorbei. Wenn jemand stirbt, egal ob an dem Virus oder mit dem Virus - für genaue anatomische Untersuchungen hinterher fehlt uns die Zeit -, ist niemand bei ihm. Seine Lieben dürfen nicht kommen, um ihm beizustehen. Wir rufen sie an und sagen, was passiert ist, aber sie dürfen noch nicht mal an seinem Totenbett trauern. Das macht mich fertig«.

Fertig machen die junge Onkologin auch die eigentlich unerträglichen Arbeitszeiten. »Eine ›normale‹ Schicht dauert jetzt mindestens zwölf Stunden. Aber ›normal‹ ist gar nichts mehr. Vorgestern ist ein Pfleger, der die dritte Nachtschicht hintereinander machte, am Tisch eingeschlafen. Wir haben ihn nicht geweckt und sind leise um ihn herumgeschlichen. Die paar Minuten Schlaf haben wir ihm alle gegönnt.« Sie zählt auch noch andere Faktoren auf, die ihre Arbeit derzeit besonders schwer machen: »Man kann sich nicht vorstellen, wie viel Zeit wir jedes Mal aufwenden müssen, um die Schutzkleidung an- und wieder abzulegen, um alles und uns selbst natürlich auch, wieder zu desinfizieren. Und da wir ja alle übermüdet sind, haben wir natürlich auch permanent Angst, dass uns ein Fehler unterlaufen könnte. Und ich verschweige nicht, dass wir uns auch um unsere eigene Gesundheit Sorgen machen. Ärzte und Krankenhauspersonal sind ja besonders gefährdet.«

Bisher, so sagt sie, werden in den Krankenhäusern noch alle Kranken gleich behandelt - abgesehen davon, dass man zum Beispiel weniger dringende Operationen verschiebt. »Das ist für die Patienten natürlich auch blöde, aber fast alle haben Verständnis. Aber ansonsten gilt weiterhin das Prinzip, dass man erst die Menschen behandelt, die am schwersten krank sind, das ist überall so. Bisher reicht unsere Ausrüstung, auch wenn sie natürlich besser sein könnte.«

Einige der schwerkranken Corona-Patienten »haben wir nach Rom ausfliegen lassen, wo man noch mehr Kapazitäten auf den Intensivstationen frei hat«, sagt die Ärztin. »Ich hoffe inständig, dass wir nicht im Laufe der Epidemie irgendwann entscheiden müssen, wer behandelt wird und wer nicht. Dafür bin ich nicht Ärztin geworden.«

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