Die Nebenwirkungen

Zuerst war das Klinikpersonal in China völlig überlastet, dann folgte eine historische Massenmobilisierung.

  • Fabian Kretschmer
  • Lesedauer: 2 Min.

Von der chinesischen Regierung werden Ärzte und Pflegepersonal in den höchsten Tönen gelobt. Die »Kämpfer an der Front gegen das Virus« prangen auf Plakaten in Peking, werden in Fernsehspots angepriesen und in Zeitungsberichten als patriotische Helden bezeichnet. Doch ihre Realität ist oft tragisch: Mindestens 3400 von ihnen haben sich selber mit dem Virus angesteckt, die meisten in der Provinz Hubei, die mit 90 Prozent aller landesweiten Fälle am stärksten betroffen ist.

Im Epizentrum Wuhan berichteten Krankenschwestern auf chinesischen sozialen Medien, dass sie sich zu Beginn des Virusausbruchs aufgrund von Versorgungsmangel eigene Schutzanzüge aus riesigen Plastiktüten zusammengebastelt haben. Ein Arzt berichtete in einem Zeitungsinterview, viele Kollegen hätten Windeln getragen, da während der Arbeitsschichten keine Zeit für den Toilettengang übrig blieb. Die körperliche Überlastung, die die Immunabwehr schwächt, wird von Experten als Hauptgrund für die hohe Ansteckungsrate unter Klinikpersonal betrachtet.

Das zu jenem Zeitpunkt vollkommen überlastete Gesundheitssystem in der Provinz Hubei erklärt auch die mit rund 4,5 Prozent extrem hohe Sterberate. Über Wochen hinweg konnte nur ein Bruchteil aller Infizierten in die überfüllten Krankenhäuser eingeliefert werden, die meisten wurden abgewiesen und stellten sich in Hotelzimmern unter Eigenquarantäne, um Familienangehörige nicht anzustecken.

In einer historisch einmaligen Massenmobilisierung, die an Zeiten Mao Tsetungs erinnert, hat die Regierung über 40 000 Pflegekräfte nach Hubei entsandt, unzählige öffentliche Gebäude in Spitäler umfunktioniert und innerhalb weniger Tage zwei riesige Krankenhäuser mit insgesamt 2600 Betten aus dem Boden gestampft. Mittlerweile sind die meisten temporären Kliniken wieder geschlossen, der Virus gilt in China als bezwungen. Seit Tagen vermelden die Behörden in Hubei nur noch einige wenige Neuansteckungen, im Rest des Landes werden nur noch importierte Fälle aus dem Ausland registriert.

Doch auf der Höhe der Gesundheitskrise konzentrierten sich die meisten Kliniken in Hubei komplett auf den Kampf gegen das Virus. Auf sozialen Medien posteten Patienten mit anderen schweren Krankheiten, vom Gesundheitssystem abgewiesen worden zu sein. Kinder mit Leukämie bekamen keine Behandlungen mehr, Krebspatienten wurde die Klinikaufnahme verweigert und an Aids Erkrankte hatten aufgrund von logistischen Einschränkungen Schwierigkeiten, an Medikamente heranzukommen. Einige Experten gehen sogar davon aus, dass die Zahl der - unter normalen Umständen - verhinderbaren Todesfällen wie Herzinfarkte die Zahl der geretteten Coronavirus-Patienten übersteigen könnte.

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