Krankenhaus steht mitten in der Krise vor Schließung
Klinikum Havelberg in Sachsen-Anhalt soll zum Seniorenheim werden / Land sieht keine Relevanz für Corona-Behandlung
In der Bundesrepublik sollen die Intensivkapazitäten in Krankenhäusern verdoppelt und sogar Hotels und Hallen zeitweise als provisorische Krankenstationen genutzt werden. Auf diese Maßnahmen haben sich Bund und Länder in einem Notfallplan geeinigt, um für die Zuspitzung der Corona-Epidemie gewappnet zu sein. Im Norden von Sachsen-Anhalt wird ein anderer Weg gegangen. Dort steht ein Krankenhaus vor der Schließung.
Das Klinikum im 6600 Einwohner zählenden Havelberg steht bereits seit längerem auf der Kippe. Der Betreiber, der private Klinikkonzern KMG, verweist auf einen »hoch defizitären« Betrieb. Seit 2015 habe das jährliche Minus im Schnitt 1,7 Millionen Euro betragen. Von 37 Betten, die nach der Schließung einer ersten Station 2018 geblieben sind, seien im Mittel nur 21 belegt. Für den Konzern, der 268 Millionen Euro im Jahr umsetzt, 5200 Mitarbeiter hat und auch im 30 Kilometer entfernten brandenburgischen Kyritz ein großes Haus betreibt, rechnet sich das nicht. Er will das Havelberger Klinikum zum Seniorenheim umbauen. Die Mitarbeiter sollen noch im März gekündigt werden.
Gegen die Pläne gab es schon vor Corona starken Protest mit Demonstrationen und Unterschriftensammlung. Mit dem Verlust des Krankenhauses sieht sich die 100 Kilometer nördlich der Landeshauptstadt gelegene Hansestadt noch weiter abgehängt; auch fürchtet man Einschnitte in der medizinischen Versorgung. Auf dem Land sei »ein stationäres Angebot der Grundversorgung« die Basis für ambulante Dienste und den Rettungsdienst, heißt es in einem aktuellen Antrag der Linken im Kreistag.
Die Ansicht vertritt auch das Land. »Als Gesundheitsstandort wird Havelberg weiter gebraucht«, teilt das Sozialministerium in Magdeburg mit. Es sieht freilich den Landkreis Stendal in der Pflicht, der das Klinikum in kommunale Trägerschaft zurücknehmen müsste. Dieser sieht sich dazu aus finanziellen Gründen außerstande. Die Linke setzt auf einen anderen privaten Betreiber oder die Landesgesellschaft Salus gGmbH und fordert vom Land, einen Trägerwechsel »unkompliziert und unbürokratisch« zu unterstützen, auch finanziell. Nach Beobachtung von Katrin Kunert, die für die Linke im Kreistag sitzt, stellt sich KMG indes quer und hält potenzielle Interessenten auf Distanz.
Seit Ausbruch der Corona-Epidemie hat sich die Debatte um die Klinik noch einmal verschärft. Vertreter der Belegschaft nannten es »absurd«, jetzt ein Krankenhaus zu schließen. Einem Pressebericht zufolge sollten sogar drei Isolierräume mit Schleusen für Corona-Verdächtige, die Mitarbeiter eingerichtet hatten, wieder zurückgebaut werden sollten. KMG begründete das mit »Sanitärarbeiten in den Decken«, die man aber vorerst verschoben habe.
Der Klinikbetreiber beteuerte auch, man sei bereit, das Havelberger Haus »vorerst weiter zu betreiben, wenn dieses einen Beitrag zur Bewältigung der Corona-Krise leisten kann«. In einem Schreiben an das Sozialministerium bat der Konzern um eine entsprechende Einschätzung, teilte aber zugleich mit, dass es im Krankenhaus nur noch sechs Ärzte gebe - vier in der Chirurgie und zwei für innere Medizin -, zudem keine Intensivstation und keine Anästhesisten. Daher würde man »massive personelle und technische Unterstützung für die stationäre Behandlung von infizierten Patienten benötigen«. KMG-Vorstand Stefan Eschmann verwahrte sich zugleich dagegen, dass »die Corona-Krise instrumentalisiert« werde.
Das Land hält das Krankenhaus in Havelberg indes in Sachen Corona für wenig hilfreich. Es sei »für die Versorgung schwerkranker Corona-Patienten auch heute schon nicht ausgelegt«, teilte das Sozialministerium auf Anfrage mit. Zur Erklärung hieß es, es halte »keine Intensivstation vor«.
Wulf Gallert (Linke), Vizepräsident des Landtags, hält dieses Argument für verfehlt. Nicht alle an Covid-19 Erkrankten müssten auf einer Intensivstation behandelt werden; zudem könnte Havelberg zumindest befristet andere, besser ausgestattete Krankenhäuser im Land entlasten: »Wir wissen doch alle, dass das System schon jetzt auf Kante genäht ist.«
Aufmerksam liest man in der Altmark aktuelle Meldungen aus Spanien, wo wegen der Epidemie alle privaten Krankenhäuser verstaatlicht werden sollen. »Gute Idee, falls es nicht anders geht«, schrieb Gallert im Nachrichtendienst Twitter - und fügte hinzu: »z.B. in Havelberg«.
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