Hamsterkäufe bringen Arme in Not

Tafeln und Sozialeinrichtungen droht Versorgungskrise

  • Claudia Krieg
  • Lesedauer: 3 Min.

»Es gibt keine Lebensmittelspenden mehr, weil die Läden lieber alles verkaufen«, sagt eine Mitarbeiterin der Neuköllner Martin-Luther-Gemeinde am Mittwochmorgen zu »nd«. Hier in der Fuldastraße betreibt die Berliner Tafel eine der wenigen noch geöffneten Ausgabestellen. »Heute Nachmittag wird sie wahrscheinlich das letzte Mal öffnen«, sagt die Gemeindevertreterin.

Zehn von 45 Ausgabestellen der Berliner Tafeln blieben in dieser Woche noch geöffnet. Bereits am Montag hatte Geschäftsführerin Antje Trölsch mitgeteilt: »Wir müssen mit allen Mitteln verhindern, dass es zur Einstellung der Lebensmittel-Versorgung von Bedürftigen kommt«. Abholung und Verteilung müssten sichergestellt werden, dafür arbeite man derzeit an einem Notfallplan. Der gemeinnützige Verein erwägt unter anderem eine Zusammenarbeit mit dem Technischen Hilfswerk (THW). Eventuell könne die Zivil- und Katastrophenschutzorganisation des Bundes die Tafel beim Einsammeln und Verteilen von Lebensmittelspenden unterstützen, so Trölsch. Denkbar wäre auch, dass mobile Ausgabestellen eingerichtet werden oder das THW Bedürftige direkt versorgt.

Auch soziale Einrichtungen, die von der Tafel Spenden erhalten, stellen ihre Angebote für Bedürftige ein und verteilen keine Lebensmittel mehr. Hauptgrund für die Schließungen seien Prävention und Infektionsschutz, so Trölsch. Zudem fehle es an ehrenamtlichen Mitarbeiter*innen - viele, die sich bei der Tafel engagieren, sind bereits älteren Semesters und gelten im Fall einer Infektion mit dem Coronavirus als Teil der Risikogruppe. In einigen Fällen mussten Ausgabestellen auch bis zur Klärung von Testergebnissen vorsorglich geschlossen werden.

Normalerweise engagieren sich laut Verein 1600 Ehrenamtliche in den Ausgabestellen. Sie versorgen monatlich rund 50 000 bedürftige Menschen in der Hauptstadt mit Essensspenden, die in den Ausgabestellen einmal wöchentlich abgeholt werden können. Zudem werden mehr als 300 soziale Einrichtungen mit Lebensmitteln versorgt.

Auch für viele als arm oder armutsgefährdet geltende Kinder und ihre Familien werden die kommenden Wochen große Schwierigkeiten mit sich bringen. »Das ist eine Bevölkerungsgruppe, die von der Politik und ihren Maßnahmen noch gar nicht erfasst ist«, sagt Wolfgang Büscher von der »Arche«, einer bundesweiten Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung der evangelischen Kirche, die in Berlin insgesamt sechs Häuser betreibt. Hier bekommen etwa 1000 bedürftige Kinder und Jugendliche täglich ein warmes Mittag- und Abendessen, Spielangebote und Hausaufgabenhilfe.

Seit Mittwoch sind alle Arche-Standorte geschlossen. »Wir nehmen gerade über alle möglichen Kanäle Kontakt zu unseren Familien auf, um sie darüber zu informieren«, erklärt der Arche-Sprecher gegenüber »nd«. Man müsse unbedingt aktiv auf Bedürftige zugehen, da viele nicht ausreichend über die Corona-bedingten Maßnahmen informiert sind. »Es handelt sich um Familien, die in der Regel Transferleistungen erhalten und oft ab Mitte des Monats nicht mehr genug Geld haben, um genügend Lebensmittel zu kaufen«, so Büscher. Die Schließung falle genau in diesen Zeitpunkt: »Es gibt bereits jetzt Anrufe von Eltern, dass sie nicht genügend zu essen haben«.

Die Arche-Mitarbeiter*innen liefern nun haltbare Lebensmittel, aber auch Obst, Gemüse, Brot und Hygieneartikel direkt an Familien im Einzugsbereich ihrer Standorte aus. »Um das in ausreichendem Maß gewährleisten zu können, werden wir mit Großhändlern kooperieren müssen«, sagt Büscher. Denn die Supermarktregale sind leergekauft.

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