Grenzen offen für Abschiebungen

Brandenburg führt trotz der Pandemie Rückführungen von Geflüchteten durch

  • Andreas Fritsche
  • Lesedauer: 3 Min.

Veranstaltungen werden abgesagt und Schulen geschlossen. Es gibt zahlreiche Hinweise, wie sich die Bevölkerung verhalten soll, um die Gefahr einer Ansteckung mit dem Coronavirus zu verhindern. Aber die Informationen erfolgen auf Deutsch und viele Flüchtlinge verstehen die Sprache noch nicht gut genug - oder gar nicht - wenn sie gerade erst in der Bundesrepublik eingetroffen sind, kritisiert die Flüchtlingsselbsthilfeorganisation Women in Exile.

Die Insassen in den Erstaufnahmestellen Brandenburgs in Eisenhüttenstadt, Wünsdorf und Doberlug-Kirchhain sowie in den vielen kleinen Asylheimen im Bundesland bekämen »den Ernst der Lage nicht aus verlässlichen Quellen vermittelt«, heißt es in einer Mitteilung. Die Organisation fordert daher mehrsprachige Aufklärung über Covid-19, wie es etwa in Berlin der Fall ist, wo in sechs verschiedenen Sprachen über den Virus informiert wird. Die Geflüchteten müssten angesichts der Ansteckungsgefahr zudem möglichst schnell dezentral untergebracht werden und Massenunterkünfte geschlossen werden.

»Unwürdig« nennt Mara Hasenjürgen vom Flüchtlingsrat Brandenburg die Unterbringung in Lagern und die Ungleichbehandlung in der Gesundheitsversorgung. In Zeiten der Corona-Pandemie würden diese Missstände auf neue Weise deutlich, sagte sie am Mittwoch zu »nd«. Dass Sozialleistungen stellenweise persönlich abgeholt werden müssten, statt sie zu aufs Konto überwiesen zu bekommen, bezeichnete Hasenjürgen als »desaströs«. Schließlich seien Flüchtlinge dadurch einem zusätzlichen Ansteckungsrisiko ausgesetzt.

Das Potsdamer Innenministerium winkte am Mittwoch jedoch ab. »Der Aufenthalt von Asylsuchenden in einer Erstaufnahmeeinrichtung ist bundesgesetzlich zwingend vorgesehen«, erklärte Sprecher Martin Burmeister auf nd-Anfrage. Die Menschen müssen wegen Corona wahrscheinlich sogar noch länger in Eisenhüttenstadt oder Wünsdorf ausharren als normalerweise. Denn die Verteilung der Ankommenden auf die Kommunen wurde zunächst ausgesetzt, um die Ressourcen der Landkreise zu schonen.

Derzeit leben rund 1450 Menschen in den brandenburgischen Erstaufnahmeeinrichtungen. Täglich kommen rund zehn bis 20 hinzu. Von beengten Verhältnissen, die eine Ausbreitung von Infektionen begünstigen würden, könne derzeit aber nicht gesprochen werden, heißt es, schließlich seien die Einrichtungen nur zur Hälfte belegt. Die hygienischen Maßnahmen seien vorsorglich verstärkt, der Reinigungszyklus erhöht worden. Man verfüge vor Ort über Unterbringungsmöglichkeiten, »die speziell auf eine Quarantäne nach dem Infektionsschutzgesetz ausgerichtet sind«.

Was die Informationen über Covid-19 betrifft, weist das Innenministerium die Vorwürfe zurück. So habe die zentrale Ausländerbehörde die vom Robert-Koch-Institut angeratenen Verhaltensweisen in mehrere Sprachen übersetzt und die Asylbewerber für das Thema sensibilisiert. »Die Sozialbetreuer appellieren an die Bewohner, die Liegenschaften möglichst nicht zu verlassen«, so Burmeister. Die Bewegungsfreiheit sei allerdings nicht eingeschränkt. Die Menschen dürften hinausgehen und in Geschäften einkaufen.

Im Einzelfall könnte die gefährliche Pandemie für abgelehnte Asylbewerber den Effekt haben, dass sie nicht wie geplant abgeschoben werden. Zwar gibt es aktuell keinen Abschiebestopp in Brandenburg und Charterflüge für Abschiebungen »werden nach Möglichkeit durchgeführt«, wie es heißt. Allerdings könnte es wegen der Ansteckungsgefahr Absagen aus den Zielländern geben.

»Über pandemiebedingte Stornierungen wird lageangepasst, gegebenenfalls auch kurzfristig entschieden«, heißt es dazu aus dem Innenministerium. Am Montag wurde eine »Rücküberstellungsmaßnahme« nach Schweden noch durchgeführt. »Andererseits wurden drei unbegleitete Rücküberstellungsmaßnahmen in andere EU-Länder abgesagt, die in den kommenden sieben Tagen vorgesehen waren. Weitere werden einstweilen nicht geplant.«

»Ein Abschiebestopp wäre sinnvoll«, meinte die Landtagsabgeordnete Andrea Johlige (Linke). Es sei »völlig absurd«, Menschen außer Landes zu bringen und so die Ausbreitung des Coronavirus zu riskieren. »Der Staat sollte jetzt nur die Dinge tun, die wirklich notwendig sind. Abschiebungen sind das nicht.«

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