Digitale Maßnahmenkontrolle

Die Telekom gibt zur Überprüfung der sozialen Distanzierung Mobilfunkdaten an das Robert-Koch-Institut weiter

  • Moritz Aschemeyer
  • Lesedauer: 4 Min.

Im Zuge der Corona-Pandemie greifen Regierungen weltweit teils zu drastischen Instrumenten. In Israel ist der Inlandsgeheimdienst seit vergangenem Sonntag dazu befugt, für zunächst 30 Tage die durch Handynutzung anfallenden Standortdaten sämtlicher Bürger zu überwachen und diesen gegebenenfalls Quarantäne zu verordnen. Am Dienstag wurde bekannt, dass der österreichische Mobilfunkanbieter A1 von sich aus Bewegungsprofile an die Regierung weitergegeben hat. Und auch die Deutsche Telekom stellte entsprechende Daten bereit – für das Robert-Koch-Institut (RKI).

Laut einer Sprecherin wurden am Dienstagabend einmalig eine fünf Gigabyte große Datenmenge kostenlos an das RKI weitergeleitet. Damit solle überprüft werden, ob die aktuellen Maßnahmen gegen die Verbreitung des Virus wirksam seien. Mittlerweile zeigte sich auch die Telefónica zu Gesprächen bereit und will mittels Datenanalyse bei der Eindämmung des Coronavirus zu helfen. Sowohl A1 als auch die Telekom betonten, dass sich keine Rückschlüsse auf das Verhalten Einzelner ziehen ließen. Die Standortdaten würden nur gebündelt weitergegeben. Das Verfahren sei gemeinsam mit Datenschutzbehörden entwickelt und 2015 von der Datenschutzbeauftragten geprüft worden, heißt es in einer Erklärung der Telekom.

Das RKI hatte bereits Anfang des Monats gefordert, über die Standortdaten die Kontaktpersonen infizierter Mobilfunknutzer auszumachen, um sie informieren und isolieren zu können. Standortdaten entstehen bei eingeschalteten Handys durchgehend, da sie immer mit einer Funkzelle verbunden sind, um kommunizieren zu können. Diese Daten wurden bereits vor der Coronakrise verkauft, um Bewegungsströme simulieren zu können. Insofern ist die Maßnahme kein Novum. Die Daten sind allerdings nicht besonders präzise. Den Forderungen des RKI könnte man daher nur durch aufwendige Funkzellenabfragen nachkommen. Selbst dann würden Daten anderer Provider fehlen. Aufgrund dessen hatte die Telekom die Vorschläge des RKI als »Unsinn« bezeichnet.

Lothar Wieler, der Chef des RKI, bezeichnete die Auswertung von Bewegungsdaten am Dienstag in einer Pressekonferenz als »ein sinnhaftes Konzept«. Ein Team von 25 Personen aus zwölf Institutionen arbeite derzeit unbezahlt an einer Lösung, die mit bestehenden Gesetzen vereinbar sei. Wieler zeigte sich optimistisch, bald etwas vorlegen zu können. Denkbar ist etwa eine App, die durch GPS-Ortung oder WLAN auf einfachere Weise wesentlich genauere Daten über den Standort des Nutzers übermitteln könnte, als die Standortdaten.

Datenschutzexperten äußerten Bedenken zu den Plänen. Niemand könne gezwungen werden, Gesundheitsapps zu nutzen, merkte Thilo Weichert an. Der ehemalige Datenschutzbeauftragte Schleswig-Holsteins warnte vor chinesischen Verhältnissen. »Für Epidemie-Fußfesseln fehlt derzeit jede Rechtsgrundlage.« Vorstellbar sei eine freiwillige oder auf Grundlage des Digitale-Versorgungs-Gesetzes verschriebene Nutzung von Apps. Letztere Option hätte zudem den Vorteil der ärztlichen Schweigepflicht, die Daten relativ streng vor dem Zugriff durch Dritte schützt.

Von zentraler Wichtigkeit in der Beurteilung von Tracking-Konzepten ist einerseits die Frage der Einwilligung der Nutzer, andererseits der Schutz der Daten vor dem Zugriff staatlicher Behörden oder von Unternehmen. Zu diesem Schluss kommen auch zwei Forscher des Horst-Görtz-Instituts für IT-Sicherheit der Ruhr-Universität Bochum, Martin Degeling und Christine Utz. In einem Statement stellten sie zudem die Sinnhaftigkeit der Verwertung von Standortdaten zur Einhaltung von Quarantänemaßnahmen oder Ausgangssperren infrage. »Der Zweck einer Bewegung lässt sich aus den Daten nicht ablesen«, so ihre Kritik. Bei der besonders gefährdeten Gruppe der Senioren sei zudem nicht von einer hohen Nutzungsrate auszugehen, führen sie weiter aus. »Man würde sie also weder mit erheben noch benachrichtigen können.«

Anne Roth, netzpolitische Referentin der Linksfraktion im Bundestag, mahnte gegenüber »nd« zur Aufmerksamkeit. Sie befürchte, dass in der aktuellen Situation der Datenschutz vernachlässigt werde und forderte daher klare Regeln für die Nutzung von Standortdaten. Eine Nutzung zur Pandemiebekämpfung käme etwa nur infrage, » wenn die genutzten Daten sofort nach der Nutzung für diesen spezifischen Zweck wieder gelöscht werden.« Auch müssten für die analysierten Daten Qualitätskontrollen und für den Prozess Transparenz ermöglicht werden. Damit schloss sich Roth der Position des Schweizer Medienforschers Felix Stalder an. Dieser hatte am Donnerstag auf Twitter Bedingungen für das Zusammenbringen von Maßnahmen in der aktuellen Gesundheitskrise mit dem demokratischen Charakter der Gesellschaft formuliert.

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