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Vor dem Ansturm
Pflegekräfte warnen vor Ausnahmezustand / Neue Corona-Klinik soll schnell fertig sein
»Viele Pflegekräfte sind gebeten, sich jetzt noch etwas auszuruhen, um vorbereitet zu sein für den Worst Case«, sagt Janine Balder, zuständige Verdi-Gewerkschaftssekretärin für die landeseigenen Vivantes-Kliniken gegenüber »nd«. In ein bis zwei Wochen, so Balder, werde keine Zeit mehr sein, um Kraft zu tanken.
Es ist ein Rennen gegen die Zeit. Die Zahl der am Coronavirus erkrankten und getesteten Menschen in Berlin steigt stark an: 1025 bestätigte Fälle waren es laut Senatsverwaltung für Gesundheit am Samstagabend. Zudem sei der erste mit dem neuen Coronavirus infizierte Patient verstorben. Es handelte sich demnach um einen 95-jährigen Mann mit schweren Grunderkrankungen.
Parallel zu den ansteigenden Fallzahlen ringen die ohnehin unter Fachkräftemangel leidenden Krankenhäuser um personelle Verstärkung. Unter anderem rufe man freigestellte Kolleg*innen zurück und sage alle nicht unbedingt nötigen Operationen ab, so Janine Balder: »Im Prinzip ein gutes Signal«, findet die Gewerkschafterin, man habe verstanden, was zu tun sei.
Andererseits rächen sich angesichts der Corona-Epidemie nun noch deutlicher die schweren Verfehlungen der Gesundheitspolitik der vergangenen Jahrzehnte. In der Krise erhielten die Forderungen nach besseren Lohn- und Arbeitsbedingungen für die Beschäftigten der Kliniken die notwendige Öffentlichkeit, so Balder. »Die richtige Wertschätzung darf jetzt nicht nur in Klatschen bestehen«, macht die Verdi-Frau deutlich.
Das sehen viele andere ähnlich. Petitionen, mit denen Krankenhausbeschäftigte ein Umsteuern in der marktorientierten Gesundheitspolitik fordern, erhalten großen Zuspruch. Eine Petition der Charité-Mitarbeiterin Ulla Hedemann für mehr Personal und ausreichend Schutzkleidung, erhielt innerhalb weniger Tage mehr als 120 000 Unterschriften. Hedemann fordert, dass Hygienemaßnahmen durch eine sofortige Aufstockung des Reinigungspersonals verbessert und Mitarbeiter*innen engmaschig auf das Virus gestestet werden.
Angesichts der absehbaren Ausnahmesituation in den Krankenhäusern, so Hedemann, müssten dringend Maßnahmen ergriffen werden, um die Krise vor dem Hintergrund des kaputtgesparten Gesundheitswesens bewältigen zu können. Neben einer Einbindung der verschiedenen Fachbereiche und Berufsgruppen in die erweiterten Krisenstäbe an den Krankenhäusern fordern Hedemann und ihre Unterstützer*innen vor allem Transparenz: »bezüglich betroffener Patient*innen, Maßnahmen, Planungen, Bettenkapazitäten und Materialbeständen«. Nicht zuletzt müssten geplante und laufende Krankenhausschließungen sofort beendet werden.
»Noch sind die Kommunikationswege nicht klar«, berichtet auch Janine Balder. Ja, es gebe genug Desinfektionsmittel, aber Beschäftigte berichteten, dass Schutzkleidung mancherorts unter Verschluss sei - auch weil vieles gestohlen wurde. Wenn nun schnell etwas gebraucht werde, so Balder, dauere es »ewig«, bis man es bekomme. »Hier müssen die Krisenstäbe noch besser werden«, fordert die Gewerkschafterin. Sie lobt, dass Verdi als Beschäftigtenvertretung in die Strukturen eingebunden sei. »Wir können aber nur als Ansprechpartner fungieren, wenn wir die entsprechenden Informationen erhalten«, betont Balder.
Neben den Versuchen der Beschäftigten und ihren Vertretungen, zu verhindern, dass sich die Situation in Deutschland ähnlich dramatisch wie in italienischen Kliniken entwickelt, sind alle Berliner*innen mit einer medizinischen Ausbildung dringend aufgefordert, sich an Einrichtungen zu wenden, die zu ihrem Qualifikationsprofil passen und sich für einen Einsatz vorzubereiten. Bewerbungsaufrufe kamen Ende vergangener Woche sowohl von der Charité als auch von der Berliner Krankenhausgesellschaft (BKG).
Auch die Pflegeeinrichtungen müssten personell unterstützt werden, um deren Bewohner*innen sicher betreuen zu können, sagt Barbara Ogrinz von der BKG. Interessierte sollten ihre Daten den Krankenhäusern oder Pflegeeinrichtungen mitteilen, die für sie infrage kommen, heißt es weiter. Um die Telefonleitungen der Einrichtungen nicht zu überlasten, seien die Unterstützungsangebote allerdings besser per E-Mail zu unterbreiten.
Während die schon bestehenden Krankenhäuser versuchen, sich für die kommenden Wochen zu wappnen, soll die extra eingerichtete Corona-Klinik mit bis zu 1000 Betten auf dem Messegelände in spätestens drei Wochen fertig sein. Projektleiter Albrecht Broemme, ehemaliger Berliner Feuerwehrchef und Präsident des Technischen Hilfswerks, sprach bereits Mitte vergangener Woche gegenüber dem RBB von »20 oder 15 Tagen«. Baubeginn soll am kommenden Dienstag sein, geplant wird mit 800 Mitarbeiter*innen. Entstehen soll die medizinische Einrichtung in Zusammenarbeit mit der Bundeswehr. Für die Klinik wird laut Broemme eine der Messehallen umfunktioniert. Wenn die Prognosen des Robert Koch-Instituts (RKI) stimmten, »müssen wir das dann am Laufen haben«, betonte Broemme.
Etwa 45 pensionierte Ärzt*innen und Pflegekräfte sowie Studierende hätten sich bisher zur Unterstützung in der neuen Klinik angeboten. Anderswo abziehen könne man das Personal nicht, so Broemme.
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