Sorge um Arbeitsplätze in der Landwirtschaft
Brandenburgs Linksfraktion fordert ein Sofortprogramm für Agrarbetriebe
Die Schwierigkeiten eines stark verrechtlichten Systems, mit einer Extremsituation um zugehen, zeigen sich nunmehr auch in Brandenburg. Ohne parteipolitische Schienbeintritte geht es selbst in Coronazeiten nicht ab. Das wurde deutlich, als am Dienstag die Fraktionen des Landtags ihre Pressekonferenzen unter Wahrung von Abstandsregeln veranstalteten.
Einig ist sich die große Mehrheit des Landtags, dass die Coronahilfen an diesem Mittwoch von einer auf zwei Milliarden Euro aufgestockt werden müssen. Das soll im Zuge des Nachtragshaushalts 2020 geschehen. Die Mittel sind unter anderem dafür da, Berufspendlern aus Polen pro Tag 65 Euro zu zahlen, wenn sie sich angesichts der abgeschotteten Grenze entschließen, auf ihrem Posten zu bleiben und vorerst in Brandenburg zu übernachten. Gedacht ist auch an Zuschüsse für Eltern, die ihre Kinder nicht in die Kita geben und deshalb nichts verdienen können. Neben Soforthilfen für Firmen ist der Rettungsschirm auch dafür vorgesehen, die Wirtschaft nach der Coronakrise wieder anzukurbeln. Der CDU-Abgeordnete André Schaller erwartet, dass Steuereinnahmen wegbrechen und die Kommunen »in Schieflage kommen«.
Sehr wahrscheinlich beschließt der Landtag, dass vorübergehend ein »Notparlament« mit nur 23 von 88 Abgeordneten beschlussfähig ist. Bislang lag die Untergrenze bei 45. Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) wird auch hierzu eine Regierungserklärung abgeben. Unterdessen ärgerte sich SPD-Fraktionschef Erik Stohn am Dienstag über den von der Linksfraktion erhobenen Vorwurf eines »kaputt gesparten Gesundheitswesens«. Immerhin habe die Linke von 2009 bis 2019 selbst die Gesundheitsministerin gestellt. Ihn irritiere »der Ton, der hier angeschlagen wird«. Die Lage sei zu angespannt, als dass man der Regierung ein Paket mit Forderungen »vor den Latz knallen« sollte, so Stohn.
Zuvor hatte Linksfraktionschef Sebastian Walter gemahnt, die Regierung dürfe nicht länger aus Prinzip alles ablehnen, was von der Opposition komme, für derartige »Spielchen« sei die Lage zu ernst. Die Linke fordere einen Schutzschirm für Landwirtschaft, Lebensmittelindustrie und Fischereiwesen. Das seien Bereiche, die derzeit noch »aus jedem Schutzschirm herausfallen«. Das sei völlig unverständlich angesichts der Probleme des Agrarsektors. Die Schwierigkeiten reichten von wegbrechenden Absatzmärkten bis zu Einreiseverboten für Erntehelfer. Brandenburg müsse das Soforthilfeprogramm für Agrarbetriebe unverzüglich auf den Weg bringen. »Es geht um Arbeitsplätze im ländlichen Raum, es geht um die Versorgung mit regionalen landwirtschaftlichen Produkten«, sagte Walter. Angesichts der Gutscheine, die Buchläden und Gaststätten ausgeben, um ihr wirtschaftliches Überleben zu sichern, schlug die Linke vor, das Land solle für 80 Prozent der Summe bürgen - dies für den Fall, dass Firmen pleite gehen und die Gutscheine nicht mehr eingelöst werden können.
Für die Freien Wähler kritisierte Fraktionschef Pèter Vida eine seiner Meinung nach mangelnde Voraussicht der Regierung beim Krisenmanagement. Während Gesundheitsministerin Ursula Nonnemacher (Grüne) schon Lockerungen der Beschränkungen erwäge, verkünde Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) die Verlängerung.
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