- Berlin
- Verkehrswende
Temporäre Radwege für ganz Berlin
Politiker mehrerer Bezirke fordern Umwidmung von Autospuren nicht nur in Friedrichshain-Kreuzberg
Carsten Schatz, Abgeordnetenhausmitglied und Bezirksvorsitzender der Linke Treptow-Köpenick fordert die Umwidmung von Autospuren zu einem Radweg auf der Baumschulenstraße, die Freigabe der gesperrten Spur auf der Langen Brücke in Köpenick sowie eine bereite Fahrrad-Aufstellfläche stadteinwärts auf der Kiefholzstraße an der Kreuzung mit der Elsenstraße. »Die ersten Sofortmaßnahmen in Kreuzberg-Friedrichshain sind zu begrüßen, dürfen sich allerdings nicht allein auf die Innenstadtbezirke erstrecken«, so Schatz. Mit den drei konkreten Vorschlägen seien nun das Bezirksamt und die Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klima gefragt, »um den Radverkehr auch in den Außenbezirken wie Treptow-Köpenick zu verbessern und eine gesunde und nachhaltige Mobilitätsalternative zum ÖPNV zu fördern«.
Auch in anderen Bezirken fordern Politiker schnell eine sichere Radinfrastruktur für die Coronakrise. Das Marzahn-Hellersdorfer Grünen-Abgeordnetenhausmitglied Stefan Ziller fordert dies für einen Abschnitt der Allee der Kosmonauten in seinem Bezirk. »Darüber hinaus sollte das Bezirksamt prüfen, welche weiteren Radwege in Planung in dem beschleunigten Verfahren umgesetzt werden können«, erklärt Ziller weiter.
Die Charlottenburg-Wilmersdorfer Linksfraktion fordert bereits seit Wochen eine entsprechende Radspur auf der Kantstraße. »Bei allem Schlimmen und Negativen, was die aktuelle Krise mit sich bringt, hat sie jedoch auch das Potenzial eines Umdenkens, um Gewohnheiten aufzubrechen. Mit einer entsprechenden Infrastruktur, die sich wegbewegt von einer autogerechten hin zu einer menschengerechten Stadt, könnten Menschen langfristig aufs Fahrrad umsteigen«, sagte deren verkehrspolitischer Sprecher Sebastian Dieke bereits Ende März.
Die Linksfraktion Tempelhof-Schöneberg hat keine konkreten Routenvorschläge, fordert das Bezirksamt aber zum Handeln auf. »Bislang hat es sich nicht mit dem Ausbau von Radwegen hervorgetan. Ob sich das unter verschärften Bedingungen ändern kann, ist fraglich«, zeigt sich deren Verkehrsexperte Martin Rutsch allerdings skeptisch.
Vorbild ist der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg, der innerhalb von knapp zwei Wochen mehrere Kilometer temporäre Fahrradwege auf fünf Straßen angelegt hat, um in Zeiten des Abstandsgebots aufgrund der Corona-Epidemie Radlern eine sichere Infrastruktur bieten zu können (»nd« berichtete).
Das Bündnis »Berliner Straßen für alle« hat eine Onlinepetition mit fünf Forderungen gestartet. Neben den provisorischen Radspuren sollen demnach unter anderem autofreie Nebenstraßen eingerichtet werden, »die ausschließlich für Fuß- und Radverkehr genutzt werden dürfen«. Innerorts soll maximal Tempo 30 gelten dürfen, um die Unfallzahlen zu reduzieren und die Krankenhäuser zu entlasten.
Jens Wieseke vom Berliner Fahrgastverband IGEB kritisiert, dass ein entsprechendes Tempo nicht auch bei der Ausweisung von Busspuren an den Tag gelegt wird. »Nutzer öffentlicher Verkehrsmittel fahren derzeit nicht zum Spaß und sind häufig deutlich länger unterwegs als Radfahrer«, sagt er. U-Bahnen seien weiterhin überfüllt. Der ÖPNV komme bei der Berliner Senatsverkehrsverwaltung »überhaupt nicht mehr vor«.
Nachdem der infrastrukturpolitische Sprecher der FDP-Fraktion im Abgeordnetenhaus, Henner Schmidt, die temporären Radspuren zunächst als Versuch bezeichnet hatte, »die Krise für die eigenen Interessen zu nutzen und für die Zeit nach der ›Coronakrise‹ einseitig Fakten zu schaffen«, fordert er nun ein vergleichbares Tempo bei allen Fragen der Verkehrsinfrastruktur. »Allein durch Markierungen abgetrennte Radfahrstreifen sind nach den Erfahrungen der letzten Jahre eine unsichere und gefährliche Lösung, erst recht, wenn der Verkehr wieder zunimmt. Radwege sollten deshalb in der Regel baulich getrennt ausgeführt werden«, so Schmidt.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.