Erst besiegen wir Corona. Dann retten wir das Klima

Während weltweit die Zahl der Corona-Infizierten steigt, verbleibt der globale CO2-Ausstoß auf Rekordhöhe. Linke Politik muss auf beide Krisen antworten.

  • Bernd Riexinger und Lorenz Gösta Beutin
  • Lesedauer: 4 Min.

Die Corona-Krise ist eine der größten Herausforderungen der Menschheit seit Generationen. In einer globalisierten Welt, in der Menschen, Güter und Kapital zirkulieren wie nie zuvor in der Geschichte, hat ein gefährlicher Virus den Planeten zum Stillstand gebracht. Zehntausende Menschen, vor allem Alte und Kranke, sterben an Covid-19. Weltweit werden die Gesundheitssysteme an den Rand des Zusammenbruchs gebracht, in Ländern der Europäischen Union wie Spanien hat die neoliberale Austeritäts- und Privatisierungspolitik der Vergangenheit die heimischen Gesundheitssysteme massiv geschwächt. Millionen Menschen, nicht nur in Deutschland und Europa, verlieren Angehörige, aber auch Arbeit, Einkommen, soziale Sicherheit. Die Entscheidungen der meisten Regierungen, die Bevölkerungen mit Eindämmungsmaßnahmen zu beschützen, sind der Bedrohungslage angemessen.

Und doch sind es die Schwächsten der Gesellschaft, die am stärksten unter den Corona-Folgen leiden. Die Anti-Corona-Politik darf kein Brandbeschleuniger für neue soziale Ungerechtigkeiten werden. Es zeigt sich, dass es einen demokratischen und handlungsfähigen Staat braucht, um auf Krisen zu antworten und dem Wohle der gesamten Bevölkerung zu dienen. Es zeigt sich, dass der Markt in ruhigen Zeiten in der Lage ist, maximale private Profite zu schaffen, in Krisenzeiten aber auf öffentliche Hilfen angewiesen ist. Es zeigt sich auch, dass die Welt heute wie nie auf gemeinsame Bedrohungen zu reagieren in der Lage ist. Wann, wenn nicht jetzt ist die Zeit gekommen, ernsthaft und gemeinsam über neue, gerechte und gemeinwohlorientierte Arten des Wirtschaftens zum Wohle aller zu reden?

Wir sind überzeugt: In Zeiten der Corona-Krise muss die Krise der ungebremsten Ausbeutung von Umwelt und Klima im Blickfeld der Politik bleiben.

Während weltweit die Zahl der Corona-Infizierten steigt, verbleibt der globale CO2-Ausstoß auf Rekordhöhe. Für die Erreichung des 1,5-Grad-Limits ist es beim bisherigen Trend der Klimakurve zu spät. Die Vernutzung der natürlichen Ressourcen macht heute eine Zwangspause, die eingesparten Emissionen sind aber einem Virus geschuldet, nicht politischen Entscheidungen für mehr Klimaschutz. Derweil drohen die Billionen von Coronakrisen-Mittel durch die Staaten zwar soziale und wirtschaftliche Folgen der Pandemie abzuschwächen, jedoch ohne auf die ökologische Wirkung von Krediten und Konjunkturprogrammen zu achten.

Die Fehler der Finanzkrise, bei der etwa die Abwrackprämie für Autos einen klimaschädlichen Boom für PKW mit Verbrennungsmotoren und massiv zum Verfehlen der Klimaziele im Verkehrssektor gesorgt hat, drohen sich in der Corona-Krise zu wiederholen. In den USA hat die Trump-Administration Umwelt- und Klimaauflagen für Konzerne und Industrie abgeschwächt, alles im Namen von Wirtschaftswachstums und Krisenbewältigung. Auch in Deutschland werden zunehmend Stimmen laut, bei Klima und Umwelt nach der Corona-Krise noch weniger zu regulieren. Wie die Corona­-Pandemie verschärft auch die Erderhitzung die sozialen Gegensätze zwischen Arm und Reich, Nord und Süd, Mann und Frau, Alt und Jung.

Wenn die Konzerne, die nachweislich das Klima am meisten belasten, jetzt bedingungslos staatliche Hilfen bekommen, ist das nichts anderes als die Stabilisierung eines falschen Weges mit den Geldern der Steuerzahler. Von den Energie- und Automobilkonzernen oder den Airlines muss verlangt werden, dass sie sich neu erfinden, den Umbau zum emmissionsarmen Wirtschaften schneller zu vollziehen.

Konjunkturpakete müssen verstärkt an Firmen fließen, die einen Beitrag dazu leisten, den CO2- Ausstoss zu senken. Wir brauchen ein kräftiges Investitionsprogramm in Deutschland und in Europa. Damit soll die Infrastruktur verbessert, der soziale Zusammenhalt gestärkt und der sozialökologische Umbau vorangetrieben werden. Das bedeutet Investitionen in die Energiewende, Speichertechnik, nachhaltige Mobilität, ökologisches Bauen. Dabei entstehen zahlreiche tariflich und sozial regulierte Arbeitsplätze.

Bahn und öffentlicher Personennahverkehr müssen ausgebaut und die Fahrpreise erheblich gesenkt werden. In einem Stufenplan streben wir den kostenfreien ÖPNV an, damit mehr und mehr Menschen auf klimafreundliche Mobilitätsangebote umsteigen. Strategische Unternehmen wie marktbestimmende Konzerne der Energie- und Wasserversorgung, Fluggesellschaften, das Gesundheitssystem und andere systemrelevanten Wirtschaftszweige werden auf Grundlage des Grundgesetzes schrittweise in öffentliche Hand gebracht. Beteiligungen des Bundes, um große Unternehmen zu retten, werden aktiv genützt und den sozialökologischen Umbau voranzutreiben.

Statt weiterhin hohe Milliardenbeträge für die Aufrüstung auszugeben, wollen wir abrüsten und die Militärausgaben senken. Gerade jetzt wären die Gelder im Gesundheitswesen oder bei Investitionen in Klimaschutz besser aufgehoben. Klimaschutz muss ins Grundgesetz, auch um einen umweltschädlichen Roll-Back zu verhindern. Einführung einer »Klimafolgenprüfung« aller Gesetzesvorhaben in Bund, Land und Kommunen durch das Bundesumweltamt.

Bernd Riexinger ist Mitglied des Bundestags und Co-Vorsitzender der LINKEN. Lorenz Gösta Beutin ist Klima- und Energiepolitiker der Linksfraktion im Bundestag.

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

Mehr aus: Klima und Wandel
- Anzeige -
- Anzeige -