Lage auf Rettungsschiffen spitzt sich zu

200 Geflüchtete warten im Mittelmeer auf eine Lösung. Von Sebastian Bähr

  • Sebastian Bähr
  • Lesedauer: 3 Min.

Die Lage auf dem deutschen Rettungsschiff »Alan Kurdi« mit mehr als 140 Schutzsuchenden an Bord spitzt sich zu. »Die Menschen sind total verzweifelt und werden seit zehn Tagen festgehalten«, sagte am Donnerstag Einsatzleiter Jan Ribbeck von der Regensburger Organisation Sea-Eye, die das Schiff betreibt. Drei Personen mussten von der »Alan Kurdi« weggebracht werden, darunter ein 24-Jähriger, der versucht haben soll, sich das Leben zu nehmen. Bei dem Transport in der Nacht zu Donnerstag soll es zu dramatischen Szenen gekommen sein, als sich Schiffe der italienischen Küstenwache näherten. Die Geflüchteten »deuteten an, ins Wasser springen zu wollen, um die italienischen Boote zu erreichen, und ließen sich kaum beruhigen«. Unklar ist, wie es jetzt mit den Menschen auf der »Alan Kurdi« weitergeht. Am Freitag sollten sie auf ein italienisches Schiff in Quarantäne kommen. Vor Sizilien würde sie dann das Rote Kreuz versorgen, hieß es seitens der italienischen Regierung. Auch die Crew müsse wahrscheinlich in Isolation auf das Schiff. Was mit den Schutzsuchenden nach der zweiwöchigen Quarantäne geschehen soll, ist ungewiss. Die »Alan Kurdi« liegt derzeit vor Palermo. Bis zum Redaktionsschluss hatte der Transfer nicht stattgefunden.

Malta verweigert Aufnahme

Mit dem Warten ist die Crew der »Alan Kurdi« nicht alleine. Auch dem spanischen Rettungsschiff »Aita Mari« wird ein sicherer Hafen verwehrt. Unter den 43 Flüchtlingen an Bord seien auch eine schwangere Frau, ein Kind sowie sechs Menschen, die wegen Flüssigkeitsmangels vorübergehend bewusstlos waren, teilte die Nichtregierungsorganisation Salvamento Marítimo Humanitario mit. Da Malta die Aufnahme verweigere, fordert sie einen sicheren Hafen. Die Besatzung versorge die Geflüchteten »so gut wie möglich«, hieß es. Die Wetterverhältnisse würden aber immer schlechter. »Die gesteigerte Brutalität gegen Flüchtende und die neue Härte gegen Rettungsorganisationen kann nur mit dem Versuch der abschreckenden Wirkung erklärt werden«, sagte Sea-Eye-Sprecher Gorden Isler. »Ein solidarisches Verhalten der EU-Mitgliedsstaaten gegenüber Italien und Malta ist längst überfällig.«

In den vergangenen Tagen waren mehrere Seenotfälle im Mittelmeer bekannt geworden. Die Internationale Organisation für Migration berichtete, ein Handelsschiff habe in maltesischen Gewässern ein Boot mit rund 55 Überlebenden und fünf Toten aufgenommen und nach Libyen gebracht. Mindestens sieben Personen wurden vermisst. Die Organisation Alarm Phone vermutete, dass es sich um das Boot handelt, das vor Tagen einen Notruf absetzte und dann vermisst wurde. Alarm Phone erklärte weiter, dass verschiedene EU-Staaten und Seenotrettungsstellen von dem Boot gewusst hätten und machte sie für die mutmaßlichen Toten verantwortlich. »Alle Behörden haben versagt, einzugreifen«, heißt es in einem Statement. »Sie nutzen nun die Corona-Epidemie als eine Entschuldigung für das Brechen des Seevölkerrechts und der Menschen- und Flüchtlingsrechte.« Das deutsche Bundesinnenministerium hatte erst jüngst in einem Schreiben private Seenotretter gebeten, ihre Arbeit im Mittelmeer einzustellen.

»Seebrücke«: Flüchtlingslager evakuieren

Die von Deutschland aufgenommenen 58 Kinder aus griechischen Flüchtlingslagern sollen derweil vorerst in Osnabrück untergebracht werden. Die Heranwachsenden aus den Aufnahmelagern der Inseln Lesbos, Chios und Samos sollen dort in einer Einrichtung der Kinder- und Jugendhilfe betreut werden, wie die niedersächsische Sozialministerin Carola Reimann (SPD) am Donnerstag in Hannover mitteilte. Dort sei auch die medizinische und psychologische Versorgung sichergestellt. Die Bundesregierung will in den kommenden Monaten 300 weitere Kinder aus den griechischen Lagern aufnehmen. Dies geschehe gemäß der Vereinbarung mit neun EU-Staaten, die insgesamt 1600 besonders schutzbedürftige unbegleitete Kinder aus den Lagern herausholen wollen. Einen genauen Zeitplan dafür gebe es nicht. »Das ist eine Farce, wenn man betrachtet, dass in den Lagern 40 000 Menschen unter menschenunwürdigen Bedingungen festsitzen«, kommentierte ein Sprecher der »Seebrücke«. Das Bündnis hat für Sonntag zu einer Online-Demonstration aufgerufen.

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