Eine Insel im zwangsweisen Dornröschenschlaf

Die Tourismusbranche von Fehmarn wird sich vielleicht erst in fünf Jahren vom Corona-Shutdown erholt haben

  • Dieter Hanisch
  • Lesedauer: 3 Min.

Sie ist Deutschlands Sonneninsel Nummer eins, doch seit dem 16. März ist Fehmarn Covid-19-bedingt abgeriegelt. Der Shutdown bedeutet daher einen Dornröschenschlaf für ca. 13 000 Bewohner. Der Tourismus, sonst pulsierender Taktgeber der Insel, ist total zum Erliegen gekommen. Die Gesundheitsstabilität auf dem Ostsee-Eiland soll nicht überstrapaziert werden, so die Begründung der Anordnung seitens der Landesregierung, die alle schleswig-holsteinischen Inseln betrifft.

Nur noch Einheimischen mit Erstwohnsitz ist der Inselaufenthalt erlaubt. Dazu kommen Berufspendler, Versorgungsfahrten und die Erfüllung von Handwerksaufträgen. Die Polizei kontrolliert seit Mitte März die Inselzufahrt über die Fehmarnsundbrücke ganz genau.

Fehmarns Tourismusdirektor Oliver Behncke hofft inständig, dass die Aufhebung der Inselisolation zu den von Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) anvisierten möglichen Lockerungsschritten ab 3. Mai gehört. Rund 70 Prozent der Fehmaraner Umsätze hängen laut Behncke in irgendeiner Form am Tourismus. Ein wochenlanger Tourismusstopp verursacht Verluste in Millionenhöhe und rüttelt damit an etlichen Existenzen. Dem Stadthaushalt von Burg auf Fehmarn sind durch das Anreiseverbot seit Mitte März bereits 400 000 Euro an Kurabgaben entgangen.

Deutschlands drittgrößte Insel definiert sich als Urlaubsparadies mit 20 Stränden und 78 Kilometer Küste. Jährlich zählte man zuletzt 410 000 Urlauber und Tagesgäste sowie etwa 2,5 Millionen Übernachtungen. Die Einnahmeverluste allein bis Anfang Mai beziffert Behncke auf ungefähr 20 Millionen Euro. Wegbrechende Events und damit fehlende Tagesgäste bereiten ihm große Sorgen. Ihm zufolge wird sich die Branche erst in fünf Jahren vom Shutdown erholt haben.

»Wir sind am Boden zerstört«, schildert Malte Riechey die Lage seines Campingplatzes Wulfener Hals. Der Betreiber des größten Campingplatzes der Insel beziffert seine monatlichen Verluste auf einen hohen sechsstelligen Betrag. Unter Androhung von 25 000 Euro Strafe musste er Mitte März die letzten Gäste von seinem Gelände schicken. »Die Zahl der Stornierungen hält sich zum Glück in Grenzen. Die Menschen hoffen noch, dass ihre Urlaubsplanungen im Sommer nicht komplett platzen«, sagt Riechey. Er hält sich mit Krediten über Wasser, wünscht sich eine stufenweise, aber möglichst schnelle Rückkehr in den Alltag, etwa mit einem zunächst erlaubten Zugang für Wohnmobil-Reisende. Zu seinem Ärger gehört auch ein Streit mit seinem Versicherer. Eigentlich müsste eine auf 120 000 Euro gedeckelte Betriebsschließungspolice greifen, doch der Versicherer hat ihm lediglich 10 000 Euro angeboten.

Auch bei der Surfschule von Jürgen Charchulla steht das Telefon nicht still. Surfschüler wollen wissen, was aus ihren gebuchten Kursen wird. Doch Charchulla und seine Frau Maria Raab müssen die diese vertrösten. Härter trifft es Zwillingsbruder Manfred Charchulla, der neben der Surfschule noch einen Surfshop und eine kleine Bar betreibt. So vertrauen die Wassersportler auf die Worte der Landesregierung, dass im Falle einer Lockerung der Beschränkungen im Sportbereich zuerst Segeln, Surfen, Golf und Reiten an der Reihe seien.

Vergleichsweise gelassen ist Marco Eberle. Er ist als Inhaber des kleinen »Café liebevoll« bereits seit dem 12. März im Corona-Stillstand. Der Gastronom lobt, dass die Soforthilfe für ihn als Selbstständigen unbürokratisch funktioniert hätte. »Innerhalb von acht Tagen war das Geld auf dem Konto«, sagt der Kommunalpolitiker der Grünen. Er könne damit rund drei Monate durchstehen. Genau wie Behncke und Riechey kann er sich vorstellen, dass die Insel mittel- bis langfristig trotz der aktuellen Pandemie-Tristesse profitiert, weil Urlaubsziele im Ausland zunehmend gemieden werden.

Der nunmehr schon seit fünf Wochen anhaltende Shutdown des Tourismus beschert dem Wasservogelreservat Wallnau des Naturschutzbundes NABU auf Fehmarn unterdessen ungewohnte Ruhe in der Brutzeit, wie die stellvertretende Leiterin Nikola Vagt bestätigt. Einen Ort der Ruhe findet man auch in der St. Nikolai-Kirche. Es gibt zwar keine Gottesdienste und keine Konfirmationen, wie Pastorin Bettina Axt versichert, doch das Gotteshaus in Burg auf Fehmarn ist geöffnet und unter Berücksichtigung von Hygiene- und Abstandsregeln darf man es betreten.

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