- Politik
- Menschenrechtsverletzungen vor Gericht
Weltweit erster Prozess wegen Folter in Syrien beginnt in Koblenz
Grünen-Chefin Baerbock: Wichtiges Signal / Amnesty: »Meilenstein im Kampf gegen die Straflosigkeit von schwersten Menschenrechtsverletzungen«
Berlin. Die Grünen-Vorsitzende Annalena Baerbock hat den am Donnerstag in Koblenz beginnenden weltweit ersten Strafprozess wegen Staatsfolter in Syrien begrüßt. »Dass ein Mensch, der für tausendfache Folter verantwortlich sein soll, hier in Deutschland vor Gericht kommt, ist ein wichtiges Signal an die internationale Gemeinschaft und an die Opfer«, sagte Baerbock der Nachrichtenagentur AFP. Systematische Folter und Hinrichtungen seien schrecklicher Alltag in syrischen Gefängnissen.
Während Opfer und Angehörige mit den traumatisierenden Erinnerungen für immer leben müssten, kämen viele Täter ungestraft davon. »Es ist eine Frage der Gerechtigkeit, dass sich die Täter in einem Prozess vor Gericht stellen und verantworten müssen«, sagte Baerbock der AFP. Nur wenn Verbrechen gegen die Menschlichkeit aufgearbeitet würden, werde es eine Demokratisierung des Landes geben.
Vor dem Oberlandesgericht Koblenz beginnt am Donnerstagvormittag der Prozess gegen zwei ehemalige mutmaßliche syrische Geheimdienstmitarbeiter. Die Anklage wirft dem Hauptverdächtigen Anwar R. unter anderem 58-fachen Mord vor, der zweite Angeklagte, Eyad A., muss sich wegen Beihilfe verantworten. Bis Mitte August sind 24 Verhandlungstage angesetzt.
R. war nach Überzeugung der Anklage der militärische Vorgesetzte des berüchtigten Al-Khatib-Gefängnisses in Damaskus. Unter seiner Befehlsgewalt sollen zwischen April 2011 und September 2012 mindestens 4000 Häftlinge während ihrer Inhaftierung mit Schlägen, Tritten und Elektroschocks gefoltert worden sein. Mindestens 58 Menschen sollen durch die Misshandlungen ums Leben gekommen sein.
Der menschenrechtspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Frank Schwabe, hofft, »dass die in dem Prozess gewonnenen Erkenntnisse auch in weiteren Strafverfahren gegen das Assad-Regime nützen - auch vor dem Internationalen Strafgerichtshof«. »Verbrechen gegen die Menschlichkeit dürfen nicht ungesühnt bleiben«, erklärte er. Ziel müsse es sein, »irgendwann auch die Spitze des Assad-Regimes zur Rechenschaft« zu ziehen.
Für die Menschenrechtsorganisation Amnesty International erklärte Abteilungsleiterin Julia Duchrow, das »historische Verfahren« sei »ein Meilenstein im Kampf gegen die Straflosigkeit von schwersten Menschenrechtsverletzungen in Syrien«. Andere Staaten seien dringend aufgerufen, »den in Deutschland unternommenen Schritten zu folgen und weitere Verfahren gegen Personen einzuleiten, denen Verbrechen gegen das Völkerrecht vorgeworfen werden«. AFP/nd
In der neuen App »nd.Digital« lesen Sie alle Ausgaben des »nd« ganz bequem online und offline. Die App ist frei von Werbung und ohne Tracking. Sie ist verfügbar für iOS (zum Download im Apple-Store), Android (zum Download im Google Play Store) und als Web-Version im Browser (zur Web-Version). Weitere Hinweise und FAQs auf dasnd.de/digital.
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.
Vielen Dank!