Leere Rhetorik oder Zugehen auf Parteilinke?

Max und Moritz analysieren im Chat mit Oliver Kern jede Woche den US-Wahlkampf. Aktuell: Wie steht Joe Biden zur Parteilinken bei den Demokraten?

  • Max Böhnel und Moritz Wichmann
  • Lesedauer: 4 Min.

Oliver: Lasst uns über Joe Biden reden! Rücken die US-Demokraten auch unter ihm nach links? Äußerungen von Biden selbst, aber auch von Ex-Präsident Barack Obama, lassen das vermuten.

Moritz: Manche Beobachter sagen, das ist nur wolkige Rhetorik. Andere erkennen Selbstkritik in den Aussagen, wenn etwa Obama sagt: »Würde ich heute noch mal antreten, dann mit einem anderen Programm.« Man erkennt den Willen, die Partei zu versöhnen. Sie rückt langsam nach links. Die Wählerschaft tut das schon seit Jahren.

Max und Moritz

Max Böhnel ist USA-Korrespondent des »nd« und lebt seit 1998 in New York. Dort arbeitet er für mehrere Publikationen und Radiosender in Deutschland, Österreich und der Schweiz.

Moritz Wichmann ist Redakteur im Onlineressort des »nd«, sein Schwerpunkt sind die USA. Er studierte Politik und Soziologie in Berlin und New York. Ein Teil seiner Familie lebt in den USA.

Oliver Kern ist Redakteur im Sportressort des »nd«. Er studierte einst in einer Kleinstadt in Ohio. Bis heute hält er sich auf dem Laufenden, was politisch in den USA los ist.

Max: Biden war in den letzten Jahrzehnten ein Opportunist. Vielleicht ergibt sich daraus eine Chance für die Linke, nämlich Biden zur Einsicht zu bewegen, dass er sich wirklich nach links bewegen muss, um Chancen gegen Trump zu haben.

Oliver: Ist Biden der Parteilinken denn schon entgegengekommen?

Moritz: Noch hat er nicht viel Konkretes geboten. Er will das Eintrittsalter in die Krankenversicherung für Ältere, also Medicare, auf 60 Jahre absenken, aktuell liegt es bei 65. Selbst Hillary Clinton hat 2016 als Konzession gegenüber Bernie Sanders eine Absenkung auf 55 Jahre angeboten. Aber Biden ist ein smarter Politiker und hat sich schon leicht nach links bewegt. Beim Klimaschutz könnte man in seinem Programm wenige Wörter umschreiben und dann leicht »Green New Deal« als Überschrift drübersetzen. Er will nun auch Studiengebührenschulden für Abgänger staatliches Unis erlassen. Man kann ihn also bewegen. Er macht erste Schritte, aber die sind noch sehr zaghaft.

Oliver: Besondere Begeisterung löst Biden bisher aber bei niemandem aus.

Max: Die Parteiführung der Demokraten ist sich sehr bewusst darüber, dass Biden ein sehr schwacher Kandidat ist. Er verhaspelt sich dauernd, und es tauchen nun Vorwürfe von früheren rassistischen Aussagen und sexuellen Übergriffen auf. Er hat Schwachpunkte, an denen Trump anknüpfen wird.

Oliver: Aber da hat doch Trump selbst viel Schlimmeres getan. Ich kann mir kaum vorstellen, dass er solche Themen anspricht, weil dann alle über Trumps eigene Verfehlungen reden würden.

Moritz: Doch, Trump macht sogar schon Wahlkampf gegen Biden zum Thema Demenz. Und garantiert wird auch Bidens ehemalige Mitarbeiterin Tara Reade eine prominente Rolle spielen, damit beim Wähler der Eindruck haften bleibt, dass beide Dreck am Stecken haben. Das ist alles, was Trump braucht.

Oliver: Die demokratischen Wähler folgten einem Kandidaten, der ständig nur betonte, wie toll er mit Barack Obama zusammengearbeitet hat. Für mich ist das Make America Great Again 2.0.

Max: Die Angst ist schon vorhanden, dass Trump weitere vier Jahre im Weißen Haus sitzt. Also wählten viele denjenigen, dem sie am ehesten zutrauen, Trump zu besiegen. Das ist auch eine Art Nostalgie. Man schaut lieber zurück auf die angebliche goldene, tolle Obama-Zeit anstatt nach vorn mit Reformideen wie Medicare for All oder einem Gratisstudium an Universitäten. Wenn Biden verspricht, dass es wieder so wird wie früher, ist das nachvollziehbar, und hinter so einen können sich die Leute stellen.

Oliver: Auch wenn man dafür über Vorwürfe von sexuellen Übergriffen hinwegsehen muss?

Moritz: Wir lachen gerne über Trump-Wähler, die kultartig die Realität ignorieren. Die Kehrseite der parteipolitischen Polarisierung in den USA ist, dass das bei vielen Demokraten genau so ist. Sie interessieren Vorwürfe von sexuellen Übergriffen gegen Biden überhaupt nicht. Das wird einfach ausgeblendet. 2016 wollten die Wähler der Republikaner ihr Establishment zum Teufel schicken und wählten deswegen Trump. Das ist bei den Demokraten offensichtlich nicht so. Viele von ihnen vertrauen ihrer Parteiführung.

Max: Gut 60 Prozent der Demokraten steht tatsächlich loyal zur Parteiführung und den Organisationen, die eng mit ihr verknüpft sind, ganz egal was sie vertreten.

Korrektur: Im Podcast findet sich ein Versprecher. Joe Biden will nicht Studiengebühren an staatlichen Universitäten erlassen, sondern Studiengebührenschulden.

In den bisherigen Folgen von Max & Moritz ging es um:

MUM5 - Wie steht Joe Biden zur Parteilinken der Demokraten
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