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Leere Straßen, volles Netz
Diesmal verlegt die Fridays-for-Future-Bewegung ihren globalen Streik fürs Klima ins Internet
»Wir folgen immer der Wissenschaft, die jetzt gerade zu dem Ergebnis kommt, dass es unsicher ist, sich in großen Gruppen zu versammeln«, sagt Kallan Benson. Die 16-Jährige aus Crownsville im US-Bundesstaat Maryland organisiert die Aktionen von Fridays for Future in den USA mit. Der bereits vor einigen Monaten für diesen Freitag angesetzte, nächste globale Klimastreik findet nicht auf der Straße statt.
Stattdessen zieht Fridays for Future temporär ins Netz um. Der globale Klimastreik findet trotz Corona statt, aber eben mit Twitter-Stürmen, Livestreams und dem Hochladen von Bildern unter den Hashtags »ClimateStrikeOnline« und »DigitalStrike«. In einem 24-stündigen Livestream auf dem internationalen Youtube-Kanal der Bewegung wollen sich Streikende aus aller Welt vorstellen und diskutieren. »2020 ist ein wichtiges Jahr für den Klimaschutz, und wir können es uns nicht leisten, das während dieser Pandemie zu vergessen«, meint Benson.
Dieses Jahr sollen alle Staaten ihre Klimaziele gemeinsam erhöhen, wie es das Pariser Weltklimaabkommen einmal alle fünf Jahre vorsieht. Hintergrund ist, dass bisher eine riesige Lücke klafft zwischen den Klimaschutzversprechen der Staaten und dem Ziel des Abkommens, nämlich die Erderhitzung gegenüber vorindustriellen Zeiten möglichst auf 1,5 Grad Celsius zu begrenzen. Einer aktuellen Berechnung des UN-Umweltprogramms zufolge müssten dafür die globalen CO2-Emissionen bis 2030 jedes Jahr um 7,6 Prozent sinken, was ungefähr einer Verfünffachung der nationalen Vorhaben entspreche.
Aber wird dafür in diesem Jahr genug Aufmerksamkeit da sein? Viele Menschen sorgen sich um ihre Gesundheit, ihre Einkommen, Familie und Freund*innen. Außerdem musste der Weltklimagipfel im schottischen Glasgow, durch den die Aufmerksamkeit der Welt gezielt auf die neu gelieferten Klimaziele gelenkt worden wäre, auf unbestimmte Zeit verschoben werden. Unter anderem deshalb will Fridays for Future den globalen Aktionstag trotz der widrigen Umstände jetzt durchführen. »Dieses Projekt ist nützlich, um die Menschen am Ball und die Diskussion am Laufen zu halten, ohne jemanden zu gefährden«, ist sich Klimaaktivistin Benson sicher.
Ihr schottischer Mitstreiter Dylan Hamilton sieht das auch so: »In dieser unsicheren Zeit können wir nicht eine Krise über der anderen vergessen«, meint der 15-Jährige aus Edinburgh. »Jede Krise muss wie eine Krise behandelt werden, und wir waren schon vor dem Coronavirus in einer Notlage.«
Die Initiatorin der Schülerbewegung, die Schwedin Greta Thunberg, äußerte sich ähnlich. »Wir müssen beide Krisen gleichzeitig bekämpfen«, sagte die 17-Jährige am Mittwoch in einem Gespräch zum Tag der Erde mit dem Leiter des Potsdam-In-stituts für Klimafolgenforschung, Johan Rockström - natürlich online und live übertragen.
Auch die deutschen Fridays-for-Future-Gruppen rufen unter dem Hashtag »NetzstreikFürsKlima« zur Teilnahme am globalen Online-Protest auf. Sie haben einen eigenen Livestream mit Musik, Reden und verschiedenen Gästen eingerichtet, der am Freitag um 12 Uhr beginnt. »Wir haben eine Verantwortung vor der Gesellschaft und wollen keine Menschen mit unseren Streiks gefährden«, meint Leonie Häge, Sprecherin von Fridays for Future Bayern.
Die beiden Krisen gegeneinander ausspielen wollen die Klimaaktivist*innen auf keinen Fall. Ihnen ist der Ernst der Lage bewusst, und sie finden es gut, dass Politik und Medien die Coronakrise auch wie eine solche behandeln.
In den vergangenen Wochen haben sie schon Erfahrung gesammelt, wie die Bewegung sich trotz physischer Distanz treffen kann. Unter anderem organisieren die Aktivist*innen Webinare. In Livevideos kann das Publikum Fragen schicken, die dann von Expert*innen beantwortet werden. Im ersten Video erläutert die Chefin des Wissenschaftlichen Beirats der Bundesregierung für Globale Umweltveränderungen, Maja Göpel, die Bedeutung der Klimaziele. Auch die Nachhaltigkeits-Influencerin Louisa Dellert spricht über die Klimakrise.
Obwohl Fridays for Future schon immer auch digital geprägt war, können sich die Aktivist*innen nicht vorstellen, den Protest auf Dauer komplett ins Netz zu verlagern. Nicht zuletzt, weil soziale Medien wie Instagram und Twitter anderen Gesetzen folgen als die Straße. Welche Bilder und sonstigen Inhalte uns dort angezeigt werden, bestimmen Algorithmen. Wer dort noch nie etwas mit Klimaschutz zu tun hatte, wird also wohl auch vom Online-Klimastreik kaum etwas mitbekommen.
»Ich denke, wir machen viele Erfahrungen, wie wir im Internet noch aktiver sein können, so zum Beispiel durch die Webinare«, meint die Münchener Aktivistin Lydia Leiste. »Dennoch - nach der Coronakrise gehen wir auf jeden Fall wieder auf die Straße.«
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
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