Trotz Panzer leichte Beute

Pangoline - Opfer von Wilderern und obskuren Heilern. Von Michael Lenz

  • Michael Lenz
  • Lesedauer: 4 Min.

Der Pangolin ist eine ebenso bemerkenswerte wie auch bemitleidenswerte Kreatur. Alle acht Arten der in Afrika und Asien vorkommenden Schuppentiere sind vom Aussterben bedroht. In den letzten 20 Jahren ist laut der Weltnaturschutzunion (IUCN) der Bestand der Pangoline um 90 Prozent zurückgegangen. Inzwischen sind sie die meistgehandelten illegal gejagten Tiere.

Vor allem die Schuppen, aber auch das Fleisch des wegen seines Äußeren auch Tannenzapfentier genannten Wesens sind in Asien, vor allem in China, heiß begehrt. Jetzt steht das arme Schuppentier auch noch im Verdacht, die Coronaviren der aktuellen Pandemie unter die Menschen gebracht zu haben.

Die Schuppen des Pangolin sind ein Dauerbrenner in der traditionellen chinesischen Medizin. Sie sollen gegen Arthritis helfen und die Manneskraft stärken, obwohl die aus Keratin bestehenden Schuppen ebenso viel Heilkräfte besitzen wie abgekaute Fingernägel - also keine.

Die scheuen und meist nachtaktiven Tiere leben in Wäldern und Savannen. Sie ernähren sich von Ameisen und Termiten. Die meisten Arten sind etwa so groß wie Hauskatzen, einige afrikanische Pangolinarten aber können ein Gewicht von bis zu 30 Kilogramm erreichen. Die vom Kopf bis zur Schwanzspitze mit Schuppen gepanzerten Tiere werden oft für Reptilien gehalten. Tatsächlich aber handelt es sich um Säugetiere. Bei Gefahr rollt sich der Pangolin zu einer Kugel zusammen und richtet als weiteren Schutz seine scharfkantigen Schuppen auf. Das mag gegen tierische Fressfeinde helfen, gegen Menschen aber ist der Pangolin wehrlos.

Ob nun der Pangolin oder ein anderes Tier der Zwischenwirt für den Sprung des Virus Sars-CoV-2 auf Menschen war, eines ist sicher: Viren springen immer wieder von Wildtieren auf Menschen über. Der Tierschützer Onkuri Majumdar erinnert daran, »dass Sars, Vogelgrippe, Ebola und sogar HIV von Tieren auf Menschen übertragen wurden«. Majumdar ist Geschäftsführer der Tierschutzorganisation Freeland, die Ende Februar in Bangkok den Bericht »Wildtierhandel in Südostasien« veröffentlichte. Der Report zeigt, wie organisierte Kriminelle seit Jahrzehnten Vorschriften und Gesetze umgehen, um die rasant wachsende Nachfrage nach Wildtierprodukten in China und anderen asiatischen Ländern zu bedienen. Staatlich lizenzierte Zuchtbetriebe, Zoos und Märkte »maskieren« dabei oft den »gigantischen Handel« mit gewilderten Tieren durch die Behauptung, es handele sich um Zuchttiere.

Eine ähnlich erschreckende Bilanz zieht ein in Kuala Lumpur veröffentlichter Report der Artenschutzorganisation Traffic. »Es vergeht kein Tag in Südostasien ohne die Beschlagnahmung von Wildtieren, und das in allzu oft atemberaubenden Mengen. Diese Beschlagnahmungen sind sicherlich lobenswert, aber es müssen die vielen grundlegenden Faktoren, die den illegalen Handel antreiben und befeuern, beseitigt werden«, betont Kanitha Krishnasamy, Traffic-Direktorin für Südostasien. Als da wären: unzureichende Gesetze, Korruption, zu seltene Verurteilungen von Wilderern, kaum regulierte Märkte, fehlender politischer Wille und auf der Nachfrageseite eine wachsende Schar zahlungsbereiter Konsumenten. Allein der Wert des chinesischen Marktes für Wildtierprodukte aus Zuchttieren wird auf sieben Milliarden US-Dollar und der für Produkte aus gewilderten Tieren gar auf satte 20 Milliarden geschätzt.

Internationale Tierschutzorganisationen gehen davon aus, dass seit dem Jahr 2000 etwa 900 000 bis eine Million Schuppentiere ihr Leben lassen mussten. Im gleichen Zeitraum machten die in Singapur, Malaysia und Vietnam beschlagnahmten Schuppen - meist von afrikanischen Tieren - 94 Prozent der insgesamt in Südostasien beschlagnahmten 96 000 Kilogramm Pangolinschuppen aus. Niemand weiß genau, wie viele der Tannenzapfentiere es in Afrika und Asien noch in freier Wildbahn gibt, denn das seltsame Säugetier ist in nur bescheidenem Ausmaß wissenschaftlich erforscht.

China hat den Verzehr wilder Tiere nach dem Ausbruch des Coronavirus verboten. Rund 20 000 Wildtierfarmen wurden von den chinesischen Behörden geschlossen oder unter Quarantäne gestellt. Vietnam erwägt ein ähnliches Verbot. Nicht so das afrikanische Nigeria, das nach Angaben der Organisation Wildlife Justice Commission Lieferant von 55 Prozent der 2016 und 2017 weltweit beschlagnahmten Pangolinschuppen war.

Die Resultate der Untersuchungen von Traffic, Freeland oder auch Wildlife Justice Commission belegen beim illegalen Wildtierhandel eindeutig die enge Verbindung zwischen asiatischen Ländern und dem Rest der Welt. Traffic-Direktorin Krishnasamy betont: »Die Region ist Quelle, Verbraucher und Transit in einem. Nur der politische Wille auf allen Regierungsebenen und die Bereitschaft zum Handeln werden die illegalen Handelsketten und Netzwerke brechen.« Onkuri Majumdar von Freeland warnt nachdrücklich davor, das Kind mit dem Bade auszuschütten. Es sei »entscheidend, dass Regierungen oder Wildtierzüchter und -besitzer diese Tiere nicht töten. Das ist nicht die Antwort auf diese Krise. Vielmehr müssen Wildtiermärkte geschlossen und der Kauf von Wildtieren eingestellt werden.«

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