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Von Keks und Kausalität

Werbung als Spiegel der Gesellschaft: Rassismus wird durch Kampagnen und Produktbezeichnungen noch immer reproduziert.

  • Demba Sanoh
  • Lesedauer: 6 Min.

Afrika« - der Name einer mit Schokolade überzogenen Waffel der Firma Bahlsen sorgt für hitzige Diskussionen: Auf der Social-Media-Plattform Instagram hat das Unternehmen sein Produkt beworben und über 3000 Kommentare von Nutzer*innen einkassiert, die Bahlsen entweder Rassismus vorwerfen oder die ganze Sache als Lappalie abtun. Die Firma sah sich aufgrund des öffentlichen Drucks gezwungen zu reagieren, in einem ersten Statement wies Bahlsen die Vorwürfe von sich: Der Ursprung des Namens liege im Status Afrikas als größter Kakaobohnen-Produzent weltweit begründet und würde so seit über 60 Jahren schon geführt. Mittlerweile hat sich Bahlsen aber dazu entschlossen, das Produkt umzubenennen.

Die rassismuskritischen Kommentare, die auf die Problematik hinter der Namensgebung hinwiesen und die Diskussion erst ins Rollen brachten, verschwanden schnell zwischen der Vielzahl der Wortmeldungen »aufgebrachter« Nutzer*innen, die sich »den Mund nicht verbieten lassen« und an der Sache partout »nichts Rassistisches« entdecken wollen. Es wird darauf bestanden, dass es sich bei der Produktbezeichnung nicht um Diskriminierung handele und der Name gerechtfertigt sei - aufgrund seiner langjährigen Verwendung. Des gleichen Argumentationsmusters bediente sich auch Bahlsen in der ersten Stellungnahme. Dadurch stellt sich die Frage, wie ernst gemeint der anschließende Entschluss zur Umbenennung wirklich gewesen ist - und wie viel dabei nur Schadensbegrenzung war.

Ist Rassismus in Deutschland weiterhin ein Problem? Sollten veraltete rassistische Bezeichnungen von Produkten geändert werden? Und welche Verantwortung tragen dabei Konzerne? Man möchte meinen, dass sich solche Fragen in einem Land, das vor zwei Monaten den Höhepunkt des rassistisch motivierten Terrors der letzten 30 Jahre in Hanau erlebt hat, leicht beantworten ließen. Denn natürlich ist es problematisch, wenn eine der größten Firmen der Lebensmittelindustrie in Deutschland eine mit schokoladeüberzogene Waffel »Afrika« nennt, denn so wird die beliebte Assoziationskette von Schokolade zu schwarzer Haut reproduziert. So werden Schwarze entmenschlicht, da sie anscheinend aus Schokolade bestehen, und zusätzlich exotisiert, da die Kakaobohne in der europäischen Flora als fremdartig wahrgenommen wird. Außerdem wird mit solch einer Bezeichnung ein ganzer Kontinent mit einer Vielzahl von Menschen als homogene Masse dargestellt, die sich alle auf ein Merkmal reduzieren lassen: die Hautfarbe. Der Name verknüpft ein phänotypisches Merkmal mit einem bestimmten Charakteristikum - das ist Rassismus.

Fälle wie der von Bahlsen zeigen aber, wie tief Rassismus in der deutschen Gesellschaft noch immer verwurzelt ist und wie wenig Wille zur Änderung dessen besteht. All die vermeintlichen Traditionalist*innen könnten sich die einfache Frage stellen: Was verliere ich, wenn ein Keks umbenannt wird? Die Antwort ist simpel: absolut gar nichts. Als weiße Person in Deutschland wird nichts von der eigenen privilegierten Stellung aufgegeben, wenn sich ein Konzern dafür entscheidet einen rassistischen Produktnamen zu verändern. Der Konzern muss auch nicht mit Einbußen rechnen. Würde man von Rassismus Betroffenen zuhören, müsste ein Großteil der Personen in Deutschland anerkennen: Sie profitieren von Rassismus. Ob sie dies nun wollen oder nicht. Es sei denn sie beginnen, aktiv antirassistisch zu handeln. Sorgt man gemeinsam dafür, dass rassistische Bilder aus gesellschaftlichen Bereichen wie der Werbung verschwinden, steht am Ende des Prozesses eine Lebensgemeinschaft, die ein wenig mehr egalitär ist.

Dieser unbequemen Erkenntnis verschließen sich alle jene, die gegen solche Umbenennungen hetzen, ohne die Auswirkungen von alltäglichem Rassismus absehen zu können, geschweige denn am eigenen Leib erfahren zu müssen. Das beschränkt sich nicht nur auf Konsument*innen: Die Verantwortlichen müssten dann dafür sorgen, dass es gar nicht erst zu rassistischen Bezeichnungen kommt. Oft versuchen Konzerne aber die Relevanz und Legitimation des Widerstandes gegen solche Produktbezeichnungen zu entwerten - anstatt sich dem eigenen Versagen zu stellen. Dem liegt ein einfaches Argumentationsmuster zugrunde: Gibt es keinen Rassismus in der deutschen Werbung, kann es auch keinen in der deutschen Gesellschaft geben. Das ist natürlich ein Trugschluss, denn diese Kausalitätskette funktioniert eher andersherum: Weil die Gesellschaft in Deutschland und überall auf der Welt nach rassistischen Herrschaftsprinzipien aufgebaut ist, finden sich diese auch in der Werbung.

Bewusst rücksichtslos handelt das Bonner Unternehmen True Fruits, dessen Werbekampagnen kalkuliert rassistische und sexistische Denkmuster für sich nutzen. So bewarb der Satz »Schafft es selten über die Grenze« einen schwarzen Smoothie und eine mit »Federschmuck« versehene Flasche wurde mit dem Slogan »Ein echter Indianer erkennt einen Scherz« versehen, eine andere mit dem Spruch: »Abgefüllt und mitgenommen«. Von Seiten des Unternehmens wird offen eingestanden, dass man Diskriminierung reproduziere, um die Gewinne nach oben zu treiben. Auch ein Werbebild des schwedischen Modekonzerns H&M aus dem Jahr 2018, das in Deutschland ebenfalls viel Beachtung fand, zeigt einen Schwarzen Jungen in einem Pullover mit der Aufschrift »coolest monkey in the jungle«. So auch die Werbung der Firma »Dove« für ein Duschgel von 2017, in der eine Schwarze Frau in einem dunklem Shirt sich ihres Kleidungsstücks entledigt - nur um darunter eine weiße Frau in hellem Shirt zum Vorschein kommen zu lassen. Die rassistische Assoziation in Verbindung mit einem Hygieneartikel müsste offensichtlich sein: Die Schwarze Frau wird weiß- und damit »rein«gewaschen. Dies bedient ein Muster, dass von Seifeherstellern während der kolonialen Hochphase Anfang des 20. Jahrhunderts in zahlreichen Reklamebildern bewusst gewählt worden ist.

Rassistische Bilder in der Werbung sind historisch belegbar: Bestes Beispiel dafür ist die deutsche Schokoladenmarke Sarotti. Deren Logo schmückte seit 1918 eine rassistisch gezeichnete Figur: ein Schwarzer Diener mit Tablett, der sich durch eine stereotype Physiognomie auszeichnete. In der ausgehenden Kolonialzeit Deutschlands wurde dieses Markenlogo gewählt, um der Abwertung Schwarzer Menschen gerecht zu werden. Die Öffentlichkeit sollte an die angebliche zivilisatorische Überlegenheit und den daraus resultierenden Herrschaftsstatus als Kolonialmacht erinnert werden. In den 1960ern stieg die Popularität der Markenfigur Sarottis wieder und reproduzierte für eine lange Zeit Rassismus in der Werbelandschaft Deutschlands - bis zum Imagewechsel der Firma. 2004 wurde die Figur schließlich durch den »Sarotti-Magier der Sinne« ersetzt: Das Tablett und die schwarze Hautfarbe verschwanden. Der Magier hat nun goldene Haut und wirft Sterne in die Luft. Sarotti macht vor, dass rassistisches Branding nicht aufrechterhalten werden muss.

Werbung muss als Teil gesellschaftlicher Aushandlungsprozesse verstanden werden - sie kann Schaden anrichten, wenn sie Rassismus reproduziert. Menschen, die Anstoß daran nehmen, dass es Widerstand gegen rassistische Werbung gibt, fürchten sich vor dem Verlust der eigenen Deutungshoheit in diesem Prozess. Eigentlich sollte es selbstverständlich sein, auf diskriminierende und rassistische Begrifflichkeiten zu verzichten, wenn diese Mitbürger*innen angreifen. Wo liegt der gesellschaftliche Mehrwert des sturen Beharrens auf Gestrigem? Was vor 60 Jahren schon rassistisch war, ist es auch heute noch.

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