Filmreifes Drama

Finnland verschleudert Millionen für Schutzmasken

  • Robert Stark, Helsinki
  • Lesedauer: 3 Min.

Nach diesem Skandal ließe sich ein abendfüllender Spielfilm drehen. Er beschäftigt Finnlands Öffentlichkeit seit über drei Wochen. Schon am Anfang der Covid-19-Pandemie öffnete das Zentrum für Versorgungssicherheit, Huoltovarmuuskeskus, einen Teil seiner geheimen Lager.

Seit dem Ersten Weltkrieg werden über das Land verteilt etwa Trockennahrungsmittel, Saatgut, Benzin und Schutzausrüstung gelagert. Das Zentrum ist für die Instandhaltung der Lager und seiner Mittel verantwortlich. Krankenhäuser im Großraum Helsinki beschwerten sich allerdings schon Anfang April: Die aus den Lagern stammenden Schutzmasken seien teils schon 2012 abgelaufen. Ersatz musste zügig besorgt werden. Tomi Lounema, der Leiter der Behörde, suchte in der Pandemie Atemschutzmasken auf den globalen Märkten. Letztlich fand er ein Angebot von Tiina Jylhä, einer zweifelhaften finnischen Geschäftsfrau, die mit ihrem Luxusleben in Estland immer wieder in Boulevardblättern präsent ist.

Jylhä ist mehrfach rechtskräftig verurteilt, unter anderem zweifach wegen Steuerbetrugs. Die ehemalige Bodybuilderin betreibt eine Klinik für plastische Chirurgie in Tallinn. Lounema vertraute ihrer vermeintlichen Expertise. Später stellte sich nach Recherchen der Zeitung »Helsinki Sanomat« heraus, dass Jylhä Masken mit einem gefälschten Qualitätszertifikat beworben hatte. Obwohl das Zertifikat authentisch war, gehörte es einer anderen, fast gleichnamigen Firma mit Sitz in Hongkong.

Während der Verhandlungen kam ein weiterer Geschäftspartner hinzu: Onni Sarmaste. Der Unternehmer ist in Finnland verschuldet, betreibt Firmen in der Ukraine, Großbritannien und Estland, die vor allem mit hoch verzinsten Schnellkrediten handeln. Über den weiteren Verlauf des Geschäftsabschlusses gibt es zwischen den Beteiligten Uneinigkeit. Jylhä behauptet, Sarmaste habe ihr das Geschäft mit der Behörde weggeschnappt. Sarmaste hingegen beteuert, die Schönheitsklinikbetreiberin hätte die Masken ohnehin nie liefern können. Zudem sei er von Hells Angels bedroht worden, Jylhä und ihr Ehemann habe die Bandenmitglieder angeheuert.

Fakt ist: Das Zentrum für Versorgungssicherheit überwies fünf Millionen Euro für Masken an Jylhä. Deren estnische Bank fror ihr Konto wegen ihres Leumundes und des großen Betrages sofort ein. Weitere fünf Millionen Euro gingen an Sarmastes Konto in Belgien. Mitte April kamen die von ihm besorgten Masken in einem Flugzeug in Helsinki an: zwei Millionen Stück aus chinesischer Fertigung. Nach einer ersten Laborprüfung stellte sich allerdings heraus: Die Masken sind von so geringer Qualität, dass sie nicht in Krankenhäusern eingesetzt werden können.

Behördenchef Lounema hatte also zehn Millionen Euro an zwei dubiose Geschäftspartner überwiesen, ohne auch nur ihre Hintergründe geprüft zu haben. Die Gegenleistung: Minderwertige Ware, die ihrem geplanten Verwendungszweck nicht entspricht. Ministerpräsidentin Sanna Marin erklärte öffentlich, sie könne dem Urteil Lounemas nicht mehr vertrauen - dieser trat daraufhin zurück.

Am Mittwochnachmittag bescherten die Zivilfahnder der finnischen Kriminalpolizei mit der Beschlagnahmung von Sarmastes Porsche und Bentley sowie seiner Festnahme dem Skandal einen weiteren Höhepunkt. Sarmaste hatte noch auf dem Weg zu seiner Wohnung mit dem öffentlich-rechtlichen Sender Yle telefoniert. Keine Stunde später wurde er abgeführt, fast drei Millionen Euro auf seinen Konten beschlagnahmt. Ermittelt wird nun wegen schweren Betruges und Geldwäsche in besonders schwerem Fall.

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