BER: Betriebsberechtigt, aber fast pleite

Mit der erfolgten Bauabnahme des Hauptterminals nimmt der Flughafen die letzte Hürde vor der Inbetriebnahme

  • Tomas Morgenstern
  • Lesedauer: 3 Min.

Sehr lange hat es gedauert, doch nun sollte eigentlich nichts mehr schiefgehen: Nachdem das Hauptterminal, Herzstück des künftigen Hauptstadtflughafens BER, alle Funktionstests bestanden hatte, fiel am Dienstagnachmittag die entscheidende letzte Hürde vor der Inbetriebnahme.

In einer gemeinsamen Mitteilung informierten der Landkreis Dahme-Spreewald und die Flughafengesellschaft Berlin Brandenburg (FBB): »Die untere Bauaufsichtsbehörde des Landkreises Dahme-Spreewald bestätigt nach Abschluss der Bauarbeiten die Fertigstellung des Fluggastterminals (Terminal 1) am BER.« Kommt der Flughafen nun trotz der Corona-Beschränkungen ohne schwerwiegende Rückschläge durch die Testphase des Orat-Inbetriebnahmeprogramms, steht der für den 31. Oktober angekündigten Eröffnung wohl nichts mehr im Wege.

Neun Jahre im Verzug
  • Januar 1992: Beginn der Planungen für neuen Berliner Flughafen.
  • 1996: »Konsensbeschluss« von Bund, Berlin und Brandenburg zum Bau des neuen Hauptstadtairports am Standort Schönefeld.
  • 5. September 2006: Erster Spatenstich, Eröffnung soll am 30. Oktober 2011 sein. Nach der Pleite einer Planungsfirma wird der Termin auf den 3. Juni 2012 verschoben.
  • Mai 2012: Absage der Eröffnung vier Wochen vor dem Termin – offiziell wegen Problemen mit der Brandschutzanlage. Neues Inbetriebnahmedatum 17. März 2013.
  • September 2012: Aufsichtsrat der Flughafengesellschaft Berlin Brandenburg (FBB) verschiebt Eröffnungstermin auf 27. Oktober 2013.
  • Januar 2013: Wegen unzähliger Baumängel platzt Termin erneut.
  • Januar 2014: Flughafenchef Hartmut Mehdorn will 2015 eröffnen.
  • Dezember 2014: Aufsichtsrat beschließt auf Vorschlag Mehdorns Zeitplan: Baufertigstellung März 2016, Eröffnung Herbst 2017.
  • Januar 2017: Wegen neuer Problem mit Sprinkleranlage und Sicherheitstüren im Terminal T1 sagen Flughafenchef Karsten Mühlenfeld und Aufsichtsratschef Michael Müller Eröffnung für 2017 ab.
  • August 2017: Engelbert Lütke Daldrup, seit März Flughafenchef, will Bau Ende August 2018 fertigstellen.
  • 15. Dezember 2017: FBB verkündet als neuen, »belastbaren« Eröffnungszeitraum den Oktober 2020.
  • Am 29. November 2019 stimmt der FBB-Aufsichtsrat dem von Lütke Daldrup vorgeschlagenen Inbetriebnahmetermin zu: 31. Oktober 2020. 
  • Am 21. April 2020 gibt der Tüv nach Prüfung aller sicherheitsrelevanten Anlagen den Weg zur Eröffnung des BER frei. tm

Die Erleichterung über den mit achtjähriger Verzögerung endlich vollzogenen Schritt ist auf beiden Seiten groß. War es doch Landrat Stephan Loge (SPD), der mit seinem nur zu berechtigten Veto den 2012 geplanten Eröffnungstermin zum Platzen brachte – Schönefeld liegt im Landkreis Dahme-Spreewald. Nun ließ die Bauordnungsbeigeordnete, Heike Zettwitz, wissen: »Es freut mich sehr, dass die Großbaustelle ›Fluggastterminal‹ nach den jahrelangen Bauarbeiten endlich zu einem Abschluss gebracht wird und die bautechnischen Nachweise für eine betriebssichere Nutzung vorliegen.«

Flughafenchef Engelbert Lütke Dal᠆drup, der das ewige Pannenprojekt ab 2017 Schritt für Schritt zum Erfolgs geführt hat, unterließ jede Äußerung des Triumphs. Die Nutzungsfreigabe des T1 sei einer der wichtigsten Schritte auf dem Weg zur verlässlichen Inbetriebnahme des Airports, sagte er. »Die Eröffnung des BER kann in diesen Zeiten ein Signal dafür werden, dass es in der Hauptstadtregion wieder aufwärts geht und die Wirtschaft wieder auf die Füße kommt.«

Die Betreibergesellschaft FBB könne nun in die Vorbereitungen der Betriebsablauftests einsteigen, die parallel zu einigen noch laufenden Restbauarbeiten durchgeführt werden, hieß es weiter. Unterdessen würden für die Mieter im Fluggastterminal noch Innenausbauten für Geschäfte, Restaurants sowie eine Lounge in den nächsten Monaten vorgenommen und die Beseitigung kleinerer baulicher Mängel abgeschlossen, informiert das Bauordnungsdezernat. Zudem seien bis zur Eröffnung im Herbst noch die erforderlichen luftfahrtrechtlichen Genehmigungen bei der Gemeinsamen Oberen Luftfahrbehörde Berlin-Brandenburg (LuBB) einzuholen.

Je wahrscheinlicher die Eröffnung des BER wird, desto ungewisser ist auf absehbare Zeit zugleich eine Widerbelebung des Corona-bedingt weitgehend lahmgelegten Luftverkehrs. Und spielt die Ruhe am Standort Schönefeld dem Schlussspurt am BER auch in die Hände – auch der Flughafengesellschaft brechen mit dem Shutdown die dringend benötigten Einnahmen weg. Um die hohen Kosten durch die Offenhaltung ihrer beiden Bestandsflughäfen zu minimieren, strebt die FBB gegen den Widerstand des Bundes und etlicher Fluggesellschaften die temporäre Schließung von Tegel an.

Nach Medieninformationen stimmte der in Berlin tagende Aufsichtsrat dieser Forderung zu. Ginge Tegel zeitweilig vom Netz, rechnet die FBB mit einer monatlichen Ersparnis von sieben Millionen Euro. Gemessen an ihrem Gesamtbedarf hilft das wenig. Nach Informationen der Redaktion rbb24-Recherche ist die Flughafengesellschaft ein Sanierungsfall.

Das belege eine noch unveröffentlichte, unabhängige Studie von Wirtschaftsprüfern und Bilanzexperten, teilte sie am Dienstag mit. In einer Prognose für die Zeit bis 2023 kommen sie zu dem Schluss, dass die FBB überschuldet sei, es bestehe ein Sanierungsbedarf in Höhe von drei bis vier Milliarden Euro. Angesichts hoher Kreditlasten und überschaubare Einnahmen drohe ihr die Insolvenz.

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