Keine Ahnung!

Weil es nötig ist: Die Aufklärung über ihre eigenen Körper wird von vielen Frauen immer noch selbstorganisiert betrieben - bis es nicht mehr nötig ist

  • Paula Irmschler
  • Lesedauer: 3 Min.

Irgendwann fing das an, dass man untenrum losgeblutet hat und dann machten die anderen entweder ein großes Bohei drum oder wollten davon nichts wissen. Mutter war ein wenig enttäuscht, dass ich nichts vom ersten Schwall erzählt hatte, weil sie meinte, das habe doch eine Bedeutung, ab der Regel sei man eine Frau. Ich wusste überhaupt nicht, was das sollte. Also alles daran. Und das nicht aus Teenager-Angst oder was, sondern wirklich aus reinstem Unwissen.

Das ist jetzt 16 Jahre her und ich habe das Gefühl, dass ich seitdem immer noch rätselhafte Gespräche mit Freundinnen zum Themenkomplex Frauenkörper führe. Ist Sport nun gut während der Tage oder nicht? Welche Medikamente helfen gegen Schmerzen? Ist es noch normaler Krampf oder bereits Endometriose? Hat die Person in der Praxis überhaupt schon mal von Endometriose gehört? Wie ist das eigentlich mit der Klitoris, was ist innen, was ist außen? Was soll dieser ominöse G-Punkt sein und wo zur Hölle befinden sich diese ganzen Sachen? Wie lange ist man schwanger? Wechseln sich die Eierstöcke ab beim Abbluten? Was macht die Pille danach mit einer? Und wie gefährlich ist die Verhütungspille wirklich?

Schufa der Liebe

Auf den Glückseinkommensnachweis zu lange gewartet, die Kaution des Lebens nicht zurückbekommen: Paula Irmschler sammelt in ihrer Schlager-Kolumne Haben und Soll und findet Gold in jeder Scheiße.

Wir nahmen sie halt einfach, sobald wir Sex hatten und erst zehn Jahre später wusste ich über alle Risiken Bescheid – danke, tschau. Noch immer stecken wir uns neue Fakten, die wir über sie und anderes, was wir über unseren Körper erfahren, zu wie Briefchen in der Schule. Apropos Schule. Die einzige Erinnerung, die alle an den Sexualkundeunterricht, wenn es ihn denn gab, haben, ist die an das Kondom über dem Gemüse oder Obst. That's it.

»Nicht für die Schule, für das Leben lernen wir«, hatten die Lehrerottos immer gesagt. Es stand nicht selten auch über irgendeiner Tür auf dem Schulgelände. Es ist aber nicht wahr. Wie unser Körper funktioniert, das diskutieren wir noch immer. Auch weil unsere Eltern das nie gelernt und zusätzlich alles mit Scham belegt haben, was mit Frauenkörpern und nicht in erster Linie mit deren Verwertbarkeit zu tun hatte. Zum Glück gibt es mittlerweile genug Frauen, die sich dieses Wissen selbst erarbeiten. Sei es durch Bücher, durch Comics, durch Filme, durch Musik und eben Gespräche.

Wir müssen das machen, weil es uns niemand beigebracht hat. Es gibt noch superviel zu lernen. Wir müssen dieses ganze Wissen teilen und uns die Artikel zuschicken und Erfahrungen austauschen – wie Computerfreaks Sachen teilen, wenn sie an irgendeiner Festplatte rumschrauben wollen. Bis wir alles verstanden haben und unser Körper kein Fremdkörper mehr ist.

Meine liebe Mutter war letztens ganz angetan von einer Band, die ich ihr empfohlen hatte. Nur dieser eine Song über Menstruation war ihr ein wenig zu krass. Klar, andere Generation, ich verstehe schon. Aber meine Güte, die Menstruation ist nix anderes als ein Stromfluss, der passiert, damit etwas funktioniert. Noch sind Songs über Menstruation spannend, aber bald sind sie hoffentlich so mordslangweilig, als ginge es darin um Computer.

Wir-schenken-uns-nichts
Unsere Weihnachtsaktion bringt nicht nur Lesefreude, sondern auch Wärme und Festlichkeit ins Haus. Zum dreimonatigen Probeabo gibt es ein Paar linke Socken von Socken mit Haltung und eine Flasche prickelnden Sekko Soziale – perfekt für eine entspannte Winterzeit. Ein Geschenk, das informiert, wärmt und das Aussteiger-Programm von EXIT-Deutschland unterstützt. Jetzt ein Wir-schenken-uns-nichts-Geschenk bestellen.

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

- Anzeige -
- Anzeige -