+++ Fälle schwerer häuslicher Gewalt häufen sich +++

Paritätischer fordert Hilfen für Corona-Risikogruppen / Behindertenrat warnt vor Nachteilen für Menschen mit Einschränkungen / Skepsis im Ethikrat zur möglichen Wiederaufnahme der Fußballbundesliga

  • Lesedauer: 6 Min.

+++ Gewaltschutzambulanz: Mehr Fälle schwerer häuslicher Gewalt +++

Berlin. Die Gewaltschutzambulanz der Berliner Charité verzeichnet in der Corona-Krise mehr Fälle schwerer häuslicher Gewalt. »Wir haben seit Beginn der Kontaktbeschränkungen Mitte März eigentlich fast nur noch schwere Fälle. Doch nach Ostern gab es noch einmal einen sprunghaften Anstieg«, sagte die stellvertretende Leiterin der Berliner Gewaltschutzambulanz, Saskia Etzold, der »Berliner Zeitung«. Es seien überwiegend Frauen, die in die Einrichtung kämen.

Die Opfer hätten häufig Verletzungen, die durch stumpfe Gewalt verursacht wurden, wie etwa Würgemale oder Mittelgesichtsbrüche. »Es sind Verletzungen, bei denen wir immer eine potenzielle Lebensgefahr diagnostizieren, und die häufig auch medizinisch versorgt werden müssen«, sagte die Fachärztin am Institut für Rechtsmedizin der Charité.

Die Zunahme von Fällen schwerer häuslicher Gewalt begründete die Medizinerin mit den Kontaktbeschränkungen in der Coronavirus-Pandemie: »Man könnte ganz böse sagen: Weil die Leute zusätzlich zu den sonstigen Einschränkungen noch einmal vier Tage länger aufeinander gehockt haben. Auch zu Nicht-Corona-Zeiten hatten wir nach Feiertagen immer mehr zu tun, als zu normalen Zeiten.«

Das Ausmaß der häuslichen Gewalt werde aber wohl erst nach dem Ende der Corona-Krise sichtbar, sagte die Ärztin. Zu befürchten sei, dass dann auch viele misshandelte Kinder in die Ambulanz gebracht werden. Durch die Kontaktbeschränkungen gebe es aktuell keine soziale Kontrolle etwa durch Kitas und Schulen. »Jetzt bleibt es noch in den eigenen vier Wänden verborgen, wenn Eltern ihre Kinder schlagen«, sagte Etzold.

+++ Paritätischer fordert Hilfen für Corona-Risikogruppen +++

Berlin. Der Paritätische Wohlfahrtsverband fordert eine finanzielle Unterstützung für Angehörige von Risikogruppen, die aus Angst vor einer Corona-Infektion nicht zur Arbeit gehen. Es drohe eine Situation, in der gesundheitlich besonders gefährdete Beschäftigte allein aus Angst vor Verdienstausfall ihre Arbeit wieder aufnehmen und sich damit in Lebensgefahr begeben, erklärte der Paritätische Gesamtverband am Dienstag in Berlin. Der Wohlfahrtsverband schlug deshalb ein Überbrückungsgeld vor, dass sich an den Regelungen zum Kurzarbeitergeld orientiert.

So wie Eltern eine Entschädigung erhalten, wenn sie Verdienstausfälle haben, weil sie ihre Kinder betreuen müssen, brauche es auch eine finanzielle Absicherung für jene, die zu einer Risikogruppe gehören und deshalb nicht zur Arbeit gehen können, sagte Werner Hesse, Geschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbands. Das Überbrückungsgeld solle 80 beziehungsweise 87 Prozent des Verdienstausfalls betragen, wenn Kinder im Haushalt leben. Die steuerfinanzierte Leistung sei allen Beschäftigten zu gewähren, die wegen ihres höheren Risikos für einen schweren Covid-19-Verlauf in der konkreten betrieblichen Lage nicht mehr ohne Gefährdung beschäftigt werden können und von erheblichen finanziellen Einbußen bedroht sind.

+++ Behindertenrat warnt vor Nachteilen für Menschen mit Einschränkungen +++

Berlin. Der Deutsche Behindertenrat (DBR) hat auf die besonderen Herausforderungen für Menschen mit Behinderungen in der Corona-Pandemie hingewiesen und vor deren zusätzlicher Ausgrenzung gewarnt. »Die mit der Pandemie verbundenen Einschränkungen im täglichen Leben treffen alle Menschen. Es zeigt sich aber, dass Menschen mit Behinderungen und chronischen Erkrankungen in allen Altersstufen besonders von den Maßnahmen zur Corona-Eindämmung betroffen sind« erklärte die Vorsitzende des DBR-Sprecherrats, Verena Bentele, am Dienstag.

Beispielsweise bedeuteten die geltenden Besuchs- und Ausgangsbeschränkungen für viele behinderte Menschen mehr Ausgrenzung denn je, mahnte Bentele, die auch Präsidentin des Sozialverbands VdK ist. »Sie bleiben zu Hause oder in stationären Wohnformen, können zum Teil nicht zur Arbeit und müssen auf Besuch verzichten, weil sie vor Corona geschützt werden sollen.« Viele Möglichkeiten der Freizeitgestaltung fielen für die Betroffenen weg und »Kontakte zu Freunden und Familie werden stark eingeschränkt«.

Eine klare Absage erteilte der DBR Überlegungen, wonach für Menschen mit Behinderungen, chronisch Kranke oder Ältere zu ihrem eigenen Schutz strenge Regeln beibehalten werden sollten, während dann Einschränkungen für den Rest der Bevölkerung weitgehend gelockert werden könnten. »Alle Menschen sollten sich an die im Moment notwendigen Regeln des Zusammenlebens halten«, forderte Bentele. Mit Schutzkleidung und Hygiene-Standards für alle Menschen »muss es möglich sein, dass auch alle Menschen an der Gesellschaft teilhaben können«.

»Menschen mit Behinderung und andere Personengruppen aus dem gesellschaftlichen Leben auszuschließen, wäre inakzeptabel und mit den Verpflichtungen der UN-Behindertenrechtskonvention nicht vereinbar«, betonte die VdK-Präsidentin.

Der Behindertenrat forderte auch mehr Barrierefreiheit im digitalen Bereich. So müssten aktuelle Informationen zur Pandemie in Dokumenten, auf Webseiten und bei Pressekonferenzen »für alle Menschen mit Behinderung zugänglich sein«. Gleiches müsse für die Software und für mobile Apps von Bestellplattformen und Lieferservices gelten, auf die in der Pandemie-Zeit viele Menschen derzeit zurückgreifen müssten. Für Online-Shops müsse es dafür gesetzliche Verpflichtungen geben.

+++ Skepsis im Ethikrat zur möglichen Wiederaufnahme der Fußballbundesliga +++

Osnabrück. Im Deutschen Ethikrat gibt es Skepsis hinsichtlich einer schnellen Wiederaufnahme der Fußballbundesliga. »Mich wundert, dass wir auf die Bundesliga-Debatte so viel Energie verwenden. Sie ist ein Beispiel für geschicktes Lobbying. Geisterspiele gaukeln nicht einmal Normalität vor, sondern verdeutlichen vor allem, wie unnormal die Zustände sind«, sagte Ethikrat-Mitglied Steffen Augsberg im Interview mit der »Neuen Osnabrücker Zeitung«: »So gern wir ihn haben: Der Fußball wird an dieser Stelle doch sehr gehätschelt.« Für die Gesamtbevölkerung sei es nicht sonderlich relevant, ob Bundesligaspiele stattfinden oder nicht, sagte der Rechtsprofessor und betonte: »Selbst wenn man alle Jobs miteinbezieht, die an der Branche hängen, hat der Fußball doch eine überschaubare wirtschaftliche Bedeutung. Andere Teile der Bevölkerung sind viel erheblicher und existenzieller von der Corona-Krise betroffen. Es wäre wohl sinnvoller, darauf hinzuarbeiten, dass Kinder wieder gemeinsam draußen spielen können und etwa die Gastronomiebranche schnellstmöglich wieder in die Gänge kommt.«

In der aktuellen Debatte um Lockerungen in der Corona-Krise zeigt Augsberg, der als Mitglied im Ethikrat auch die Bundesregierung berät, Verständnis für regionale Sonderwege. »Ständig auf bundesweit einheitliche Vorgaben zu drängen halte ich für wenig plausibel. Die föderale Option beinhaltet doch gerade, dass wir regionale sozioökonomische Gegebenheiten, unterschiedliche Infektionszahlen etc. berücksichtigen können«, sagte Augsberg: »Warum sollen auf dem Land in Mecklenburg-Vorpommern die Schulen nicht früher öffnen können als in Hamburg, wo die Infektionsbelastung eine ganz andere ist«? Es gelte, sich die jeweiligen Umstände für eine Vielzahl von Maßnahmen genauer anzuschauen. »Dazu wäre es auch gut, endlich mehr darüber zu wissen, ob Menschen am Coronavirus gestorben sind oder nur mit dem Virus«, betonte Augsberg. Agenturen/nd

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